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Kirchengericht:Schlichtungsstelle nach dem MVG der Evangelischen Kirche von Westfalen (2. Kammer)
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:29.10.2009
Aktenzeichen:2 M 83/09
Rechtsgrundlage:§§ 21 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD; 626 Abs. 1 BGB
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Beleidigung, Kündigung des Arbeitsverhältnisses, Mitarbeitervertretung, außerordentliche Kündigung, fristlose Kündigung
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Leitsatz:

Äußert sich bei einer privaten Zusammenkunft außerhalb des Dienstbetriebes ein MAV-Mitglied grob beleidigend gegenüber einem nicht anwesenden Mitglied der Dienststellenleitung (hier: „Wichser“) und wird diese Äußerung später der Dienststellenleitung hinterbracht, so rechtfertigt dies nicht die außerordentliche Kündigung (§ 21 Abs. 2 MVG.EKD).

Tenor:

Der Zustimmungsersetzungsantrag der Dienststellenleitung wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.
Die Antragstellerin begehrt die Ersetzung der Zustimmung für eine außerordentliche Kündigung der MAV-Vorsitzenden xxx.
Frau Xxx, geboren am 17.12.1966 ist seit dem 01.06.2000 als Erzieherin in der Jungenhilfeeinrichtung der Antragstellerin tätig. Sie hatte zuletzt die Gruppenleitung im xxx inne. Zwischen ihr und der Dienststellenleitung kam es seit Beginn des Jahres zu Spannungen. Ihr wurde wegen angeblich illoyalen Verhaltens eine Abmahnung erteilt. Unter dem 30.03.2009 wurde die Mitarbeitervertretung darüber informiert, dass Frau Xxx die Gruppenleitung im xxx entzogen worden sei und sie ab 01.04.2009 nicht mehr gruppenleitend ins xxx umgesetzt werde. Der Entzug der Gruppenleitertätigkeit wurde von der angerufenen Schlichtungsstelle durch Beschluss vom 19.06.2009 für unwirksam befunden, da hierfür die Zustimmung der Mitarbeitervertretung fehlte.
Mit Schreiben vom 28.07.2009 beantragte die Dienststellenleitung die Zustimmung der Mitarbeitervertretung für den Entzug der Gruppenleitung. Der Antrag wurde außerdem damit begründet, dass sich Frau Xxx auf einer Feier am 12.07.2009 negativ über die Einrichtung geäußert und dabei ein Vorstandmitglied auf übelste Weise tituliert habe.
Mit einem weiteren Schreiben vom gleichen Tage beantragte die Dienststellenleitung die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung von Frau Xxx. Dieser Antrag wurde wie folgt begründet:
Die Kündigung ist erforderlich, da uns am 22.07.2009 folgender Sachverhalt mitgeteilt wurde:
Am 12.07.2009 fand bei dem Hausmeister xxx eine private Feier statt, an dem unter anderem teilgenommen haben:
Frau Xxx,
Frau xxx,
Herr xxx,
Herr xxx,
Frau xxx.
Während dieser Feier bezeichnete Frau Xxx Herrn xxx, den pädagogischen Leiter unserer Einrichtung und Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes als „Wichser“. Es ist dies eine grobe Beleidigung unseres Vorstandmitglieds und bedeutet auch einen ehrverletzenden Angriff auf ihn und das xxx. Hierdurch wird auch der Betriebsfrieden im xxx nachhaltig gefährdet. Diese schwere Beleidigung vor Mitarbeitenden des Xxx stellt eine derart schwere Verletzung der Pflichten der Frau Xxx dar, dass dem Xxx die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
Die Mitarbeitervertretung hat auf den Antrag mit der Bitte um Erörterung reagiert. Letztere fand am 03.08.2009 statt, ohne dass hierbei eine Einigung erzielt wurde. Die Dienststellenleitung hat daraufhin am 04.08.2009 das vorliegende Schlichtungsverfahren eingeleitet. Sie wiederholt dabei die in dem Zustimmungsantrag gegebene Darstellung über den Vorgang vom 12.07.2009. In einem weiteren Schriftsatz vom 28.10.2009 betont sie, dass Frau Xxx keinesfalls davon ausgehen konnte, dass ihre Äußerungen während der Geburtstagsfeier vertraulich behandelt würden. Es seien mehrere Personen anwesend gewesen, denen gegenüber die Beschimpfungen des Geschäftsführer Xxx laut und deutlich geworden sei. Dem Schriftsatz ist außerdem eine von dem Zeugen Xxx unterzeichnete Erklärung beigefügt worden, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Die Dienststellenleitung beantragt,
die fehlende Zustimmung der Mitarbeitervertretung zu der außerordentlichen Kündigung von Frau Xxx zu ersetzen.
Die Mitarbeitervertretung bittet um Zurückweisung des Antrags.
Sie meint, der Schlichtungsantrag müsse schon deshalb scheitern, weil die Dienststellenleitung mit ihrem gleichzeitig gestellten Antrag auf Zustimmung zum Entzug der Gruppenleitung ihr Kündigungsrecht verbraucht habe. Im Übrigen treffe der von der Dienststellenleitung für die Kündigung zugrundegelegte Sachverhalt nicht zu. Frau Xxx bleibe nämlich dabei, dass sie sich nicht in der behaupteten Weise geäußert habe. Es sei auch völlig unklar, in welchem Zusammenhang und aus welchem Grund Frau Xxx sich in der behaupteten Weise geäußert haben solle. Auffallend sei auch, dass die Dienststellenleitung erst geraume Zeit nach dem 12.07.2009 über das angeblich empörende Verhalten von Frau Xxx informiert worden sei.
Des Weiteren wird von der Mitarbeitervertretung betont, dass die angebliche Äußerung auf einer privaten Feier gefallen sein soll, bei der Frau Xxx habe davon ausgehen können, dass eine solche Äußerung nicht weitergetragen würde.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätzen Bezug genommen.
II.
  1. Das eingeleitete Schlichtungsverfahren ist gem. § 60 Abs. 1 MVG.EKD zulässig. Die Beteiligten streiten darüber, ob die verweigerte Zustimmung der Mitarbeitervertretung für die außerordentliche Kündigung des MAV-Mitglieds Xxx zu ersetzen ist (§ 21 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD). Das Schlichtungsverfahren ist auch rechtzeitig innerhalb der Zweiwochenfrist des § 38 Abs. 4 MVG.EKD eingeleitet worden.
  2. Der Schlichtungsantrag ist nicht begründet, weil nach Auffassung der Schlichtungsstelle keine ausreichenden Gründe für die außerordentliche Kündigung von Frau Xxx vorliegen.
    Der Schlichtungsantrag war nicht schon deshalb zurückzuweisen, weil das Kündigungsrecht durch die gleichzeitig von der Dienststellenleitung erstrebte Umsetzung von Frau Xxx verbraucht gewesen sein könnte. Vielmehr sieht die Schlichtungsstelle die zugleich eingeleitete Umsetzung als begleitende oder hilfsweise Maßnahme, die eine wirksame außerordentliche Kündigung nicht ausschloss.
    Indessen fehlt es an einem wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB, der die außerordentliche Kündigung rechtfertigt. Zwar ist der Gebrauch des von Frau Xxx angeblich verwendeten Ausdrucks „Wichser“ in Bezug auf den Geschäftsführer Xxx der Dienststelle eine grobe Verunglimpfung, die in dieser Form durch nichts zu rechtfertigen ist. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass die angebliche Äußerung weder gegenüber Herrn Xxx selbst noch im dienstlichen Zusammenhang geäußert wurde sondern bei einer privaten Veranstaltung außerhalb der Dienststelle. Hier brauchte keiner der Teilnehmer ein Blatt vor den Mund zu nehmen und konnte sich auch kritisch und sogar abfällig über Kollegen und Vorgesetzte äußern, ohne dass er befürchten musste, hierfür gemaßregelt zu werden. Wenn bei der fraglichen Feier unflätige Ausdrücke gebraucht worden sein sollten, wie sie jetzt von der Antragstellerin behauptet werden, würden sie auf denjenigen zurückfallen, der sie verwendet hat. Es gilt aber der Grundsatz, dass regelmäßig kein Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliegt, wenn private beleidigende Äußerungen eines Mitarbeitenden fallen, die später den oder dem Vorgesetzten hinterbracht werden (so schon BAG, Urteil vom 30.11.1972 in AP § 626 BGB Nr. 66). Wie es wäre, wenn unwahre ehrenrührige Tatsachenbehauptungen im Kollegenkreis verbreitet würden, ist hier nicht zu entscheiden. Hier geht es einzig um eine grobe Entgleisung im privaten Umfeld, die zwar einer diakonischen Mitarbeitenden unwürdig wäre, jedoch auf das Dienstverhältnis nicht derart ausstrahlt, dass dessen Fortsetzung für die Antragstellerin unzumutbar geworden wäre.
  3. Bedenken gegen die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung ergeben sich auch daraus, dass die Sachverhaltsdarstellung der Antragstellerin gegenüber der Mitarbeitervertretung in zeitlicher Hinsicht von dem abweicht, was offenbar jetzt behauptet werden soll, nämlich dass der strittige Vorfall nicht am 12.07.2009 sondern am nächsten Tag gewesen sein soll. Sollte hier eine bewusste Fehlinformation der Mitarbeitervertretung vorliegen, wäre die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung zusätzlich infrage gestellt.
Nach alledem war die fehlende Zustimmung der Mitarbeitervertretung zu der außerordentlichen Kündigung von Frau Xxx nicht durch die Schlichtungsstelle zu ersetzen.