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Kirchengericht:Verwaltungsgerichtshof der UEK
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:12.11.1991
Aktenzeichen:VGH 15/89
Rechtsgrundlage:
Vorinstanzen:Verwaltungskammer (VK 8/1988)
Schlagworte:Rechtsmittelbelehrung, Rechtsweg, Bekenntnis, Kirchlicher Unterricht, Lehrplan, Wort und Sakrament, Sakrament
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Die erstinstanzliche Entscheidung lässt sich online über den Link VK 8/88 aufrufen.
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Leitsatz:

  1. Eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung der Vorinstanz entbindet das Rechtsmittelgericht nicht von seiner Verpflichtung, die Zulässigkeit des Rechtsmittels auf der Grundlage der kirchengesetzlichen Rechtslage selbst von Amts wegen zu prüfen.
  2. Es liegt im Gestaltungsrahmen einer Landeskirche, wenn sie den verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in ihrem Bereich nach einem Enumerationsprinzip auf gesetzlich besonders festgesetzte Fallgruppen beschränkt. § 2 Abs. 5 VwGG enthält eine ausdrückliche Klarstellung, dass Bekenntnisfragen der kirchenverwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegen.
  3. Es ist keine Rechtsnorm ersichtlich, die einem einzelnen Gemeindemitglied die Möglichkeit gibt, den Inhalt eines Lehrplans und seine Verbindlichkeit für den kirchlichen Unterricht durch das kirchliche Verwaltungsgericht überprüfen zu lassen.
  4. Weder dem kirchlichen noch dem staatlichen Verfassungsrecht kann entnommen werden, dass Entscheidungen aus dem Bereich des Dienstes an Wort und Sakrament (zweiter Teil der KO) (kirchen-)gerichtlich überprüfbar sein müssen. Es ist Aufgabe der Landessynode und der Kirchenleitung, darüber zu wachen, dass das Evangelium rein und lauter verkündigt wird, die Sakramente recht verwaltet werden und der Bekenntnisstand der Gemeinden nicht verletzt wird.

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 20. November 1989 wird verworfen.
Die Kläger tragen – jeweils als Gesamtschuldner – die Kosten des Berufungsverfahrens zu je einem Achtel.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 24.000,- DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Kläger sind Gemeindeglieder von Kirchengemeinden der beklagten Evangelischen Kirche von Westfalen. Es handelt sich um Eltern von Kindern, die gegenwärtig oder demnächst am Kirchlichen Unterricht teilnehmen, und um die von den Eltern vertretenen Kinder selbst.
Die Landessynode der Beklagten genehmigte im November 1987 den „Lehrplan für den Kirchlichen Unterricht in der Evangelischen Kirche von Westfalen“. Die Kläger halten diesen Lehrplan für schrift- und bekenntniswidrig und damit zugleich für unvereinbar mit der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche von Westfalen.
Mit ihrer Klage haben sie beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, den Kirchlichen Unterricht nach dem von der Landessynode im November 1987 genehmigten „Lehrplan für den Kirchlichen Unterricht in der Evangelischen Kirche von Westfalen“ zu erteilen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, die Erteilung des Kirchlichen Unterrichts nach einem anderen – bibel- und bekenntnisgebundenen – Lehrplan zu ermöglichen,
hilfsweise,
festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, Kirchlichen Unterricht allein nach dem von der Landessynode im November 1987 genehmigten Lehrplan zu erteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Klage mit Haupt- und Hilfsanträgen für unzulässig.
Die Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen hat die Klage mit Urteil vom 20. November 1989 abgewiesen, weil sie unzulässig sei; die Verwaltungskammer sei nicht zuständig. Der Rechtsstreit habe Entscheidungen aus dem Bereich des Kirchlichen Unterrichts zum Gegenstand. Diese unterlägen nach § 2 Abs. 5 VwGG nicht dem Verfahren vor der Verwaltungskammer.
Der Frage, ob das sich in § 2 Abs. 1 VwGG niederschlagende Enumerationsprinzip in vollem Umfang mit höherrangigem Recht vereinbar sei, brauche nicht nachgegangen zu werden. Eine gerichtliche Überprüfung des Inhalts geistlicher Amtshandlungen und eine wenngleich mittelbare gerichtliche Entscheidung von Bekenntnisfragen würde auch dann nicht in Betracht kommen, wenn eine § 2 Abs. 5 VwGG entsprechende Vorschrift fehlen würde.
Die Kläger versuchten, mit ihren Anträgen Einfluss auf den Inhalt des Kirchlichen Unterrichts zu nehmen. Dass die Entscheidung über den Inhalt des Kirchlichen Unterrichts allein bei der Landessynode und nicht bei der Verwaltungskammer liegen könne, dränge sich bereits im Hinblick auf die Besetzung der Verwaltungskammer nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VwGG auf. Indem § 2 Abs. 5 VwGG ein Begehren nach inhaltlicher Überprüfung des Lehrplans dem Verfahren vor der Verwaltungskammer ausdrücklich entziehe, spreche das Gesetz nur etwas Selbstverständliches aus. Ein gerichtliches Verfahren sei für die Klärung solcher Fragen auch im Hinblick auf den formalgerichtsförmigen Charakter des Verfahrens, den Mangel rechtlicher Normen als Prüfungsmaßstab, den Zwang, zu einer Entscheidung zu gelangen, und das Institut der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung gänzlich ungeeignet. Im Übrigen wird auf das Urteil Bezug genommen.
Mit der Berufung machen die Kläger unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens insbesondere geltend:
Die Annahme der Verwaltungskammer, geistliche Amtshandlungen seien von ihrem Inhalt zu unterscheiden, treffe nicht zu. Sie widerspreche dem Selbstverständnis der Beklagten als Kirche. Nach Grundartikel IV KO sei die Bindung an Schrift und Bekenntnis grundlegend auch für die Anwendung des Rechts der Beklagten. Diese Bindung müsse auch dann zur Geltung kommen, wenn es um die Zuständigkeit der Kirchengerichte gehe. Sie sei mitgemeint, wenn es in Art. 151 KO heiße, dass die Kirchengerichte nur dem in der Kirche geltenden Recht unterworfen seien.
Unter diesem Gesichtspunkt sei auch § 2 Abs. 5 VwGG zu betrachten. Andere als die in der Kirchenordnung ausdrücklich genannten Entscheidungen aus dem Bereich des Dienstes an Wort und Sakrament, die – wie die Zurückstellung von Kirchlichem Unterricht – der Zuständigkeit der Verwaltungskammer entzogen seien, seien justiziabel. Die Kirchenordnung zähle im Einzelnen auf, wo sie gegen pastorale Entscheidungen die Möglichkeit des Einspruchs oder der Beschwerde vorsehe. Sie formuliere jedoch trotz des Bekenntnisses zum Enumerationsprinzip in Art. 152 Abs. 2 KO keinen generellen Ausschluss der kirchlichen Gerichtsbarkeit für den Bereich des Dienstes an Wort und Sakrament. Wenn § 2 Abs. 5 VwGG den genannten Gesamtbereich der Zuständigkeit der Verwaltungskammer entziehe, verstoße er gegen höherrangiges Recht, vor allem der Kirchenordnung.
Die Verwaltungskammer sei wegen der für sie geltenden Besetzungsvorschriften auch für die Klärung inhaltlicher Fragen geeignet. Durch die kirchliche Qualifikation ihrer Mitglieder sei die Kammer so etwas wie eine „Landessynode im Kleinen“. Sie dürfe deshalb Entscheidungen der Landessynode überprüfen. Ihre vergleichsweise geringe Mitgliederzahl stehe dem nicht entgegen, wie die Verwerfungskompetenz der Verfassungsgerichte im Hinblick auf die vom Parlament beschlossenen Gesetze zeige. Als Maßstab für die Prüfung sog. inhaltlicher Fragen stehe die Kirchenordnung, insbesondere der Grundartikel I, zur Verfügung.
Selbst wenn die Verwaltungskammer den Lehrplan für den Kirchlichen Unterricht nicht inhaltlich auf seine Schrift- und Bekenntnisbindung hin überprüfen dürfe, so bleibe doch die Entscheidung über den zweiten Hilfsantrag noch offen. Es gehe um die Frage, ob die Beklagte den Kirchlichen Unterricht allein nach dem 1987 genehmigten Lehrplan erteilen dürfe. Aus der Kirchenordnung ergebe sich, dass mehrere – jedenfalls zwei – inhaltliche Lehrpläne nebeneinander verwendet werden dürften. Diese Frage betreffe nicht den Inhalt der Lehrpläne. Art. 114 Abs. 2 Satz 13 KO sei nicht nur eine Zuständigkeitsnorm. Die Vorschrift stehe in dem Katalog der Aufgaben der Landessynode; dabei handele es sich nicht nur um Befugnisse, sondern auch um Verpflichtungen. Da ein Bedürfnis für inhaltlich verschiedene Lehrpläne bestehe, sei die Landessynode verpflichtet, mehrere Lehrpläne zu gleicher Zeit in Geltung zu setzen. Die Klärung dieser Frage durch die Kirchengerichte sei dringend geboten.
Die Kläger beantragen,
das angefochtene Urteil aufzuheben und der Klage stattzugeben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil der Verwaltungskammer für zutreffend. Der kirchliche Verwaltungsrechtsweg sei für alle drei Anträge nicht eröffnet. Eine Entscheidungskompetenz kirchlicher Gerichte über Schrift und Bekenntnis sei mit evangelischem Verständnis nicht vereinbar. Die Entscheidung von Lehrfragen unterfalle allein der Landessynode und der Kirchenleitung. Der zweite Hilfsantrag ziele letztlich auf eine abstrakte Kontrolle von Synodalentscheidungen; eine Verfassungsgerichtsbarkeit gebe es jedoch in der Evangelischen Kirche von Westfalen nicht.
Die Parteien sind auf die Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung, die sich aus § 32 Satz 1 VwGG ergeben, und die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 12 Abs. 3 Satz 2 und 3 VO-VGH hingewiesen worden. Sie haben hierzu kontrovers Stellung genommen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Kläger ist unzulässig. Das kirchliche Recht der Evangelischen Kirche von Westfalen lässt die Berufung gegen das angefochtene Urteil der Verwaltungskammer nicht zu. Die Berufung ist deshalb gemäß § 12 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Verordnung über den Verwaltungsgerichtshof der Evangelischen Kirche der Union – VO-VGH – durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen.
Ob die Berufung gegen das Urteil eines kirchlichen Verwaltungsgerichts statthaft ist, richtet sich nicht nach der Verordnung über den Verwaltungsgerichtshof der Evangelischen Kirche der Union, sondern nach dem kirchlichen Recht der jeweiligen Gliedkirche (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 VO-VGH). Nach § 32 Satz 1 des Kirchengesetzes über die Ordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 18. Oktober 1974 in der Fassung vom 11. November 1983 (KABl. 1983 S. 214) – VwGG – kann die Entscheidung der Verwaltungskammer in den Fällen des § 2 Abs. 2 mit dem Rechtsmittel der Berufung, im Übrigen nur in den gesetzlich festgelegten Fällen angefochten werden. Im vorliegenden Verfahren geht es um Fragen des Kirchlichen Unterrichts; ein Fall des § 2 Abs. 2 VwGG – Streitigkeiten aus öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen zur Kirche – liegt mithin nicht vor. Ebenso wenig ist die Berufung nach der zweiten Alternative des § 32 Satz 1 VwGG statthaft; es fehlt an einer entsprechenden spezialgesetzlichen Regelung für den vorliegenden Rechtsstreit.
An der sich aus § 32 Satz 1 VwGG ergebenden Rechtslage kann auch die – fehlerhafte – Rechtsmittelbelehrung der Verwaltungskammer nichts ändern. Anders als die Zulassung eines Rechtsmittels, an die das Rechtsmittelgericht auch gebunden sein kann, wenn sie zu Unrecht erfolgt ist (vgl. z.B. § 132 Abs. 3 VwGO), führt eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung nicht zur Zulässigkeit eines nicht statthaften Rechtsmittels (vgl. BVerwG E 71, 73). Sie entbindet das Rechtsmittelgericht nicht von seiner Verpflichtung, die Zulässigkeit des Rechtsmittels auf der Grundlage der kirchengesetzlichen Rechtslage selbst von Amts wegen zu prüfen und das Rechtsmittel ggf. als unzulässig zu verwerfen.
Entgegen der Rechtsauffassung der Kläger ist auch zumindest für den vorliegenden Rechtsstreit eine erweiternde Auslegung des § 32 Satz 1 VwGG nicht möglich. Es kann offen bleiben, ob der Ausschluss der Berufung in besonderen Fällen mit speziellen kirchengesetzlichen Regelungen oder allgemein mit Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit, die jedenfalls in ihrem Kernbereich auch innerhalb der Kirche Geltung beanspruchen mögen, vereinbar ist. Ein solcher Fall liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn schon die Klage selbst unzulässig ist, weil dem erstinstanzlichen Gericht die Zuständigkeit für die bei ihm erhobene Klage fehlt. So aber ist es hier:
Nach § 2 Abs. 1 VwGG ist die Verwaltungskammer zuständig für die Entscheidung von Streitigkeiten aus dem Bereich der Kirchlichen Ordnung und Verwaltung in den durch die Kirchenordnung oder durch Kirchengesetz bestimmten Fällen. Diese Vorschrift stimmt mit Art. 152 Abs. 2 der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche von Westfalen in der Fassung vom 17. November 1989 (KABl. S. 173) – KO – überein. Das bedeutet, dass der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz durch die kirchlichen Verwaltungsgerichte nicht nur nach einfachem Gesetzesrecht, sondern bereits nach dem kirchlichen Verfassungsrecht der beklagten Landeskirche auf gesetzlich besonders festgesetzte Fallgruppen beschränkt ist. Diese Entscheidung der Evangelischen Kirche von Westfalen für das Enumerationsprinzip ist, wie der Vergleich mit der Rechtslage in anderen Landeskirchen zeigt (vgl. Maurer, ZevKR 17, 48 <51>), zwar nicht selbstverständlich. Sie liegt jedoch im Gestaltungsrahmen der Beklagten und verstößt, zumal sie in der Kirchenordnung selbst getroffen worden ist, grundsätzlich nicht gegen höherrangiges Recht der beklagten Landeskirche. An sie sind die kirchlichen Verwaltungsgerichte gebunden (vgl. Art. 151 Satz 2 KO).
Für den vorliegenden Rechtsstreit folgt daraus, dass zunächst eine kirchengesetzliche Regelung gefunden werden müsste, die die Zuständigkeit der kirchlichen Verwaltungsgerichte für ihn begründet. § 2 Abs. 5 VwGG, nach dem dem Verfahren vor der Verwaltungskammer nicht Entscheidungen aus dem Bereich des Dienstes an Wort und Sakrament (Zweiter Teil der Kirchenordnung) unterliegen, würde erst dann entscheidungserheblich werden können, wenn es eine in Betracht kommende positive Zuständigkeitsregelung geben würde.
Insoweit enthält § 2 Abs. 5 VwGG eine ausdrückliche Klarstellung, dass Bekenntnisfragen der kirchenverwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegen. Dieser Grundsatz kann als Auslegungshilfe heranzuziehen sein, wenn es darum geht, ob der Verwaltungsrechtsweg durch eine spezielle kirchengesetzliche Regelung in einem bestimmten Rechtsstreit eröffnet ist. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage ist jedoch, dass es eine kirchengesetzliche Bestimmung im Sinne von § 2 Abs. 1 VwGO überhaupt gibt.
Zugleich stellt § 2 Abs. 5 VwGG allerdings auch eine Regelung dar, die als lex specialis den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten von vornherein ausschließt. Einer besonderen Prüfung der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 VwGG bedarf es deshalb.nicht, wenn feststeht, dass § 2 Abs. 5 VwGG – auch bei einer an der Kirchenordnung ausgerichteten Interpretation – den Rechtsweg zur Verwaltungskammer ausschließt, weil sich die Klage gegen eine Entscheidung aus dem Bereich des Dienstes an Wort und Sakrament richtet. Die Verwaltungskammer hat ihre Prüfung auf diesen Gesichtspunkt konzentriert; hiergegen richten sich die Angriffe der Berufung in erster Linie. Selbst wenn sie begründet wären, könnte das Rechtsmittel der Kläger aber nur dann Erfolg haben, wenn auch die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 VwGG gegeben wären. Schon daran fehlt es hier jedoch.
Für die inhaltliche Überprüfung des im November 1987 genehmigten Lehrplans für den Kirchlichen Unterricht, um die es den Klägern in erster Linie geht, aber auch zur Entscheidung der mit den Hilfsanträgen aufgeworfenen Fragen, ob die beklagte Landeskirche verpflichtet ist, die Erteilung des Unterrichts nach einem anderen Lehrplan zu ermöglichen, oder ob sie den Kirchlichen Unterricht zumindest nicht allein nach dem Lehrplan vom November 1987 erteilen darf, ist eine die Zuständigkeit der kirchlichen Verwaltungsgerichte begründende kirchengesetzliche Regelung nicht ersichtlich. Weder die Kirchenordnung noch besondere Kirchengesetze – wie das Kirchengesetz über die Ordnung des Kirchlichen Unterrichts in der Evangelischen Kirche von Westfalen in seiner Fassung vom 20. Oktober 1972 oder in der jetzt geltenden Fassung vom 28. Oktober 1988 – geben dem einzelnen Gemeindeglied die Möglichkeit, den Inhalt eines Lehrplans und seine Verbindlichkeit für den Kirchlichen Unterricht durch die Verwaltungskammer überprüfen zu lassen. Auch die Kläger haben in ihren im ersten und zweiten Rechtszug vorgelegten Schriftsätzen keine kirchengesetzliche Vorschrift genannt, die für diese Streitigkeiten die Zuständigkeit der Verwaltungskammer bestimmt.
Art. 17 Abs. 3 KO, auf den die Kläger verweisen, mag zwar möglicherweise in Einzelfällen materielle Ansprüche begründen können. Seine Aussage, dass die Gemeindeglieder Anrecht auf den Dienst der Gemeinde und Anteil an den kirchlichen Einrichtungen haben, kann aber nicht dahingehend verstanden werden, dass diese Ansprüche auch – auf der Grundlage dieser Vorschrift – verwaltungsgerichtlich durchsetzbar seien. Um die Sicherung der Rechte und Pflichten der Gemeindeglieder geht es in Art. 17 KO überhaupt nicht. Verfahrensrechtliche Fragen, die den Bereich des Dienstes an Wort und Sakrament betreffen, werden vielmehr in der Kirchenordnung erst in ihrem Zweiten Teil im Zusammenhang mit speziellen materiellen Rechten angesprochen. Für den Kirchlichen Unterricht gewähren allein Art. 193 Abs. 2 und Art. 196 Abs. 2 KO bei der Zurückstellung eines Kindes vom Kirchlichen Unterricht oder von der Konfirmation oder bei der Ablehnung der Konfirmation eines Erwachsenen Anfechtungsrechte, die jedoch nicht in ein Klagerecht einmünden. Mit dieser Regelung ist eine Auslegung des Art. 17 Abs. 3 KO, nach der bei allen anderen – wirklichen oder vermeintlichen – Beeinträchtigungen des Anrechts auf den Dienst der Gemeinde die verwaltungsgerichtliche Klage zulässig sei, unvereinbar. Denn die verfahrensrechtlichen Spezialregelungen der Kirchenordnung gelten gerade für solche Entscheidungen des Presbyteriums, die das Gemeindeglied nach der Wertung des Normgebers besonders stark belasten. Wenn aber selbst in diesen Fällen nur eine Überprüfung durch den Superintendenten vorgesehen ist, kann nicht angenommen werden, dass in allen anderen Fällen die Anrufung des kirchlichen Verwaltungsgerichts möglich sein soll.
Erst recht ergibt sich aus dem Grundartikel IV der Kirchenordnung nicht die Zulässigkeit des Rechtswegs zur Verwaltungskammer. Aus der Bindung an Schrift und Bekenntnis auch für die Anwendung des Rechts der Evangelischen Kirche in Westfalen folgt nicht, dass bei angenommenen Verstößen gegen diesen Grundsatz der Verwaltungsrechtsweg eröffnet wäre. Die Aussagen der Grundartikel stehen als Leitsätze über dem gesamten Recht der beklagten Kirche. Insoweit darf auch bei der Rechtsanwendung im Einzelfall nie die Bindung an Schrift und Bekenntnis aus den Augen verloren werden. Konkrete Regelungen treffen aber erst die Bestimmungen der Kirchenordnung und der übrigen Kirchengesetze. Ob und in welchem Umfang innerhalb der Kirche Rechtsschutz zu gewähren ist, lässt sich aus dem Grundartikel IV nicht ableiten.
Die Bindung an Schrift und Bekenntnis ermächtigt auch nicht zu einer erweiternden Auslegung des Artikels 17 Abs. 3 KO oder anderer Spezialvorschriften in Richtung auf einen über ihren Wortlaut und Sinn hinausgehenden Rechtsschutz. Zwar ist mit dem Anrecht der Gemeindeglieder auf den Dienst der Gemeinde (Art. 17 Abs. 3 KO) das Anrecht auf einen schrift- und bekenntnisgemäßen Dienst gemeint. Um diesen – zwischen den Parteien nicht streitigen – Grundsatz geht es hier aber nicht. Die Kläger meinen vielmehr, dass es zulässig sei, dieses Anrecht – einschließlich der Frage, ob der Dienst der Gemeinde mit Schrift und Bekenntnis vereinbar ist – auch vor den kirchlichen Verwaltungsgerichten durchzusetzen. Dem kann nicht gefolgt werden. Die beklagte Kirche unterstellt Bekenntnisfragen nicht der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, sondern überträgt die Aufgabe, darüber zu wachen, dass das Evangelium rein und lauter verkündet wird, die Sakramente recht verwaltet werden und der Bekenntnisstand der Gemeinden nicht verletzt wird, der Landessynode und der Kirchenleitung (vgl. Art. 114 Abs. 2 und Art. 137 Abs. 2 KO).
Die beklagte Landeskirche ist auch nicht etwa nach Art. 19 Abs. 4 GG oder nach dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gehalten, einen umfassenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz zu gewähren. Nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV verwaltet und ordnet sie ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetze selbstständig.
Sie ist somit bei der Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten den vorerwähnten Vorschriften des Grundgesetzes nicht unterworfen. Allerdings liegt es nahe, für den innerkirchlichen Rechtsbereich die Geltung eines ungeschriebenen kirchlichen allgemeinen und fundamentalen Rechtssatzes anzunehmen, der seinem Inhalt nach dem staatlichen Rechtsstaatsprinzip entspricht. Ein Verstoß gegen einen solchen Rechtssatz ist aber mangels Vorliegens von Willkür jedenfalls dann zu verneinen, wenn das Fehlen einer verwaltungsgerichtlichen Generalklausel lediglich zu einer Lücke des Rechtsschutzes in einem Bereich führt, der – wie Fragen des Glaubens und des Bekenntnisses – ohnehin weitgehend der Justiziabilität – zumindest durch Verwaltungsgerichte – entzogen ist. So aber ist es hier: Die Kläger machen nicht geltend, dass sich die beklagte Landeskirche ihrer Verpflichtung, Kirchlichen Unterricht zu erteilen, entziehe. Sie machen auch nicht etwa geltend, dass der Unterricht – entgegen Art. 188 Abs. 3 KO – nicht nach einem von der Landessynode genehmigten Lehrplan erteilt werde. Ob bei einem solchen Vortrag an eine Erweiterung des Rechtsschutzes durch die kirchlichen Verwaltungsgerichte zu denken wäre, kann deshalb offen bleiben. Das eigentliche Anliegen der Kläger besteht darin zu erreichen, dass der Kirchliche Unterricht nicht nach dem im November 1987 genehmigten Lehrplan erteilt wird oder dass der Unterricht zumindest auch auf einer anderen Grundlage erfolgen kann, weil sie diesen Lehrplan inhaltlich für verfehlt halten.
Fehlt es danach schon an einer kirchenrechtlichen Regelung, durch die die Zuständigkeit der Verwaltungskammer für den vorliegenden Rechtsstreit im Sinne von Art. 152 Abs. 2 KO / § 2 Abs. 1 VwGG positiv bestimmt wird, so kommt es auf die Zuständigkeit ausschließende Vorschrift des § 2 Abs. 5 VwGG nicht entscheidungstragend an. Der Senat hat jedoch keine Bedenken, auch den Ausführungen der Verwaltungskammer hierzu zu folgen. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass § 2 Abs. 5 VwGG gegen höherrangiges Recht verstößt. Für die vergleichbare Vorschrift des § 16 des Kirchengesetzes über das Verwaltungsgericht der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg (Berlin West) vom 19. November 1972 (KiABl. 1973 S. 3) hat der Senat bereits ausgesprochen, es sei unbedenklich, wenn für bestimmte Fälle die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts ausgeschlossen worden sei (Urteil vom 10. März 1987 – VGH 70/86 –).
Daran ist festzuhalten.
Weder dem kirchlichen noch dem staatlichen Verfassungsrecht kann entnommen werden, dass Entscheidungen aus dem Bereich des Dienstes an Wort und Sakrament (Zweiter Teil der Kirchenordnung) (kirchen-)gerichtlich überprüfbar sein müssen. Insbesondere die Verwaltungskammer, zu deren Aufgabe als einem den staatlichen Verwaltungsgerichten vergleichbaren Gericht in erster Linie der Rechtsschutz gegen kirchenbehördliche Entscheidungen gehört, ist nicht kraft höherrangigen Rechts zur Entscheidung von Lehr- und Bekenntnisfragen berufen. Zu diesem Bereich gehört jedoch auch der unter IV des Zweiten Teils der Kirchenordnung in den Artikeln 186 ff. geregelte Kirchliche Unterricht.
Soweit die Kläger geltend machen, zumindest ihr zweiter Hilfsantrag auf Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, Kirchlichen Unterricht allein nach dem von der Landessynode im November 1987 genehmigten Lehrplan zu erteilen, erfordere überhaupt keine inhaltliche Überprüfung des Lehrplans, verkenne dass gleichwohl auch für diesen Antrag eine Bestimmung, die die Zuständigkeit der Verwaltungskammer begründet, nicht ersichtlich ist. Im Übrigen wäre die Klage insoweit auch unbegründet. Aus Art. 114 Abs. 2 Satz 13 KO lässt sich nicht ableiten, dass die Beklagte mehrere Lehrpläne für den Kirchlichen Unterricht zulassen müsse. Zwar wird der Landessynode in Art. 114 Abs. 2 Satz 13 KO die Aufgabe zugewiesen, „die Lehrpläne“ für den Kirchlichen Unterricht zu genehmigen. Aus der Verwendung des Plurals ergibt sich, dass die Kirchenordnung der Verwendung mehrerer von der Landessynode genehmigter Lehrpläne nicht entgegenstehen würde. Auch Art. 188 Abs. 3 KO, nach dem der Unterricht nach einem von der Landessynode genehmigten Lehrplan erteilt wird, kann nicht so verstanden werden, dass der Kirchliche Unterricht nur nach einem einzigen (genehmigten) Lehrplan erteilt werden darf. Eine Verpflichtung zur Zulassung mehrerer Lehrpläne folgt daraus jedoch nicht. Durch Art. 114 Abs. 2 Satz 13 KO wird der Landessynode lediglich die Aufgabe, über die Genehmigung von Lehrplänen zu entscheiden, zugewiesen; und aus Art. 188 Abs. 3 KO folgt allein, dass der Kirchliche Unterricht auf der Grundlage eines Lehrplans, der von der Landessynode genehmigt ist, erteilt werden muss.
Die Berufung muss nach alledem als unzulässig verworfen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 22 Abs. 1 VO-VGH, die Festsetzung des Streitwertes auf § 24 Abs. 1 VO-VGH.