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Kirchengericht:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:18.05.1979
Aktenzeichen:VK 5/1978
Rechtsgrundlage:Art. 65, 146 KO
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Presbyterium, Vorsitz im Presbyterium
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Leitsatz:

Zur Neuwahl des Vorsitzenden eines Presbyteriums und zum Beginn der Amtszeit.

Tenor:

Unter teilweiser Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 20. Februar 1978 wird festgestellt, dass der Beschluss des Presbyteriums der Kirchengemeinde R. vom 13. September 1977 hinsichtlich der Regelung für den Beginn der Amtszeit des gewählten Presbyters S. zum Vorsitzenden und der Presbyterin P. zur stellvertretenden Vorsitzenden nicht der Bestimmung des Art. 65 Abs. 2 Satz 1 KO entspricht.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.
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Tatbestand:

Der … geborene Kläger, der im Dienst der Beklagten steht, ist der einzige Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde R., die zum Kirchenkreis L. gehört. Seit November 1977 hat er sich mit verschiedenen, gegen den Kirchenkreis L. gerichteten Anträgen an die Verwaltungskammer gewandt. Durch rechtskräftiges Urteil vom 10. April 1978 wurden diese Anträge im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, dass die Verwaltungskammer im damaligen Verfahrensstadium wegen Unzuständigkeit noch nicht angerufen werden könne, wie sich nicht nur aus Art. 151 Abs. 1 der Kirchenordnung (KO) in der Fassung des 9. Kirchengesetzes vom 18. Oktober 1974 i.V.m. § 2 der kirchlichen Verwaltungsgerichtsordnung vom 18. Oktober 1974, KABl. S. 194 (KiVwGO), sondern auch aus §§ 2, 10 Abs. 3 KiVwGO und z.B. auch § 2 KiVwGO i.V.m. Art. 156 KO ergebe. Zunächst müsse die Verwaltung Gelegenheit haben, die Begehren des Klägers zu prüfen und darüber zu entscheiden. Soweit sich der Kläger gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 20. Februar 1978 wandte, wurde der Antrag deshalb abgelehnt, weil insoweit nach § 31 KiVwGO i.V.m. § 78 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) der Kirchenkreis L. nicht der richtige Beklagte sei.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Antrag des Klägers vom 27. Februar 1978, mit dem er sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 1978 wendet. Darin hat die Kirchenleitung das Schreiben des Klägers vom 3. Februar 1978 als Widerspruch gegen die Entscheidung des Landeskirchenamtes gewertet, die dem Kläger durch Anruf des Präses am 31. Januar 1978 fernmündlich und sodann durch Schreiben vom 2. Februar 1978 schriftlich mitgeteilt worden ist. In dem angefochtenen Bescheid vom 20. Februar 1978 hat die Beklagte ihre bisherige Auffassung im Einzelnen bestätigt, dass das Amt des Vorsitzenden des Presbyteriums der Kirchengemeinde R. aufgrund des Beschlusses dieses Presbyteriums vom 13. September 1977 auf den Presbyter S. wirksam übergegangen sei und der Übergang dieses Amts sich vollzogen habe.
An den von dem Presbyter S. einberufenen Sitzungen des Presbyteriums hat der Kläger nach seinen Angaben bisher nicht teilgenommen.
Zur Begründung seines Begehrens führt der Kläger aus: Der von dem Presbyterium gefasste Beschluss entspreche nicht dem Art. 65 Abs. 2 KO. Auch sei der Beginn der Amtszeit darin nicht bestimmt worden. Diese Entscheidung habe auch nicht an das Landeskirchenamt delegiert werden dürfen. Herr S. habe ihn (den Kläger) noch im Januar 1978 als Vorsitzenden des Presbyteriums angeschrieben. Zwar dürfe die Wahl eines Presbyters jederzeit erfolgen. Jedoch könne der Amtsantritt des gewählten Presbyters erst mit Ablauf der Amtszeit seines Vorgängers erfolgen. Seine (des Klägers) Amtszeit als Vorsitzender des Presbyteriums laufe aber erst 1980 ab.
Der Kläger beantragt,
die Verwaltungskammer möge feststellen, dass die ihm von der Landeskirche erteilte Rechtsauskunft in Verbindung mit dem Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 1978 als unrichtig festgestellt wird, er (Pfarrer R.) sei als Vorsitzender des Presbyteriums der Evangelischen Kirchengemeinde R. abgelöst.
Die Beklagte, die dem Vorbringen des Klägers entgegentritt, beantragt unter Wiederholung der Gründe des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 1978,
die Klage abzuweisen.
Wegen des weiteren Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Akteninhalt, die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Abschriften bzw. Fotokopien verwiesen.
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Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nach § 2 Abs. 1 KiVwGO i.V.m. Art. 156, 157 Abs. 1 und 65 KO zulässig. Bei dem Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 1978 handelt es sich um einen den Kläger belastenden Verwaltungsakt, den der Kläger gemäß der ihm erteilten Rechtsmittelbelehrung frist- und auch formgerecht angefochten hat. In dem zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Rechtsverhältnis hat der Kläger nach § 43 VwGO i.V.m. § 31 KiVwGO mit Rücksicht darauf, dass selbstständige Teile eines solchen Rechtsverhältnisses ebenfalls Gegenstand einer Feststellungsklage sein können,
vgl. Redeker – von Oertzen, VwGO, 6. Aufl., Rdnr. 3 zu § 43 VwGO,
auch ein berechtigtes Interesse an der von ihm begehrten Feststellung, ob die von der Beklagten vertretene Auffassung hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Beschlusses des Presbyteriums der Kirchengemeinde R. vom 13. September 1977 über die Wahl des Presbyters S. zum Vorsitzenden und der Bestimmung der Presbyterin P. zu seiner Stellvertreterin in vollem Umfang zutreffend ist oder nicht.
Die Klage ist auch teilweise begründet.
Maßgebende Bestimmungen für das vorliegende Streitverfahren sind Art. 156 und 65 KO in ihrer seit 1972 geltenden Fassung. Art. 156 KO bestimmt:
„(1) Beschlüsse der Presbyterien, der Kreissynoden und der Kreissynodalvorstände, die deren Befugnisse überschreiten, gegen die Kirchenordnung verstoßen oder Kirchengesetze verletzen, sind von der Kirchenleitung außer Kraft zu setzen. Der Vorsitzende der Körperschaft, die einen solchen Beschluss gefasst hat, ist verpflichtet, die Ausführung des Beschlusses auszusetzen und ihn der Kirchenleitung zur Entscheidung vorzulegen.
(2) Gegen die Entscheidung ist innerhalb eines Monats Beschwerde bei der Verwaltungskammer zulässig. Diese entscheidet endgültig.“
Art. 65 KO lautet, soweit er für das vorliegende Verfahren von Bedeutung ist:
„(1) Den Vorsitz im Presbyterium führt ein Pfarrer, ein Pfarrstellenverwalter oder ein Presbyter.
(2) Wählt das Presbyterium einen Presbyter zum Vorsitzenden, so bestimmt es zugleich seinen Stellvertreter und regelt den Beginn ihrer Amtszeit. Die Amtszeit des Vorsitzenden und seines Stellvertreters beträgt 1 Jahr. Wiederwahl ist zulässig.
(3) Wählt das Presbyterium nicht einen Presbyter zum Vorsitzenden, so gilt:
a)
in Gemeinden mit einer Pfarrstelle führt der Pfarrer oder der Pfarrstellenverwalter den Vorsitz. Ist ein Stellvertreter nicht bestimmt, so führt bei Verhinderung des Vorsitzenden der Kirchmeister den Vorsitz.
b)
In Gemeinden mit mehreren Pfarrstellen wechselt der Vorsitz unter ihren Inhabern oder Verwaltern jährlich nach einer vom Presbyterium aufgestellten Ordnung. Mit Genehmigung des Kreissynodalvorstandes kann das Presbyterium bestimmen, dass der Vorsitz alle zwei Jahre wechselt. In besonderen Fällen kann die Amtszeit mit Genehmigung des Kreissynodalvorstandes verlängert werden. Der Vorsitzende wird durch seinen Vorgänger im Vorsitz vertreten. Sind alle Inhaber oder Verwalter der Pfarrstelle verhindert, so führt der Kirchmeister den Vorsitz.
(4) …
(5) …
(6) …“
Soweit der Kläger die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit seiner Ablösung als Vorsitzender des Presbyteriums der Evangelischen Kirchengemeinde R. erstrebt, kann er mit diesem Begehren keinen Erfolg haben. Insoweit sind sowohl der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 1978 als auch der Beschluss des Presbyteriums der Evangelischen Kirchengemeinde R. vom 13. September 1977 rechtlich nicht zu beanstanden. Den notwendigen Formerfordernissen wurde genügt, zumal sie vom Kläger nicht konkret beanstandet wurden. Seine Auffassung, dass der Presbyter S. noch nicht zum Vorsitzenden hätte gewählt werden können, weil seine (des Klägers) Amtszeit noch bis zum Jahre 1980 laufe, kann nicht beigepflichtet werden. Wie sich aus dem Sinn und Zweck des Art. 65 KO, wie er nach dem 8. Kirchengesetz zur Änderung der KO vom 20. Oktober 1972, KABl. S. 227, gilt, ergibt, geht nunmehr die Wahl eines Presbyters zum Vorsitzenden und die Bestimmung seines Stellvertreters, der gemäß Art. 54 KO auch ein anderes Mitglied des Presbyteriums als ein Presbyter (u.a. ein Pfarrer) sein kann, den nachfolgenden Regelungen vor. Dies wird durch den einleitenden Satz in Art. 65 Abs. 3 KO deutlich, wonach in Gemeinden mit einer Pfarrstelle und mit mehreren Pfarrstellen die oben wörtlich wiedergegebenen Regelungen gelten, wenn das Presbyterium nicht einen Presbyter zum Vorsitzenden gewählt und auch zugleich seinen Stellvertreter bestimmt hat. Diese Wahl eines Presbyters zum Vorsitzenden und die gleichzeitige Bestimmung seines Stellvertreters sind, wie die Beklagte zu Recht entschieden hat, in den Fällen der Art. 65 Abs. 3 ff. KO jederzeit möglich. Eine Einschränkung dieser jederzeit möglichen Wahl und der damit verbundenen Regelung über den Beginn der Amtszeit enthält lediglich Art. 65 Abs. 2 S. 2 KO. Sind nämlich der bisherige Vorsitzende als Presbyter schon gewählt und zugleich sein Stellvertreter bestimmt gewesen, so muss zumindest bis zum Beginn der Amtszeit eines anderen, neu gewählten Presbyters zum Vorsitzenden und der Bestimmung seines Stellvertreters die einjährige Amtszeit der bisherigen Amtsinhaber abgelaufen sein. Hätte der Landeskirchengesetzgeber auch in den übrigen Fällen den Ablauf einer bestimmten Amtszeit als Vorsitzender gewollt, dann hätte er eine solche Regelung ausdrücklich getroffen. Dies hat er aber gerade nicht getan. Vielmehr sollte den Presbyterien ein weitgehend großer Spielraum zur freien Eigengestaltung belassen werden, wie die gesamte Entwicklung zur Neuregelung über die Wahl eines Presbyters zum Vorsitzenden seines Presbyteriums zeigt.
Hingegen kann der Klage der Erfolg nicht versagt werden, als der Kläger auch beanstandet, dass der Beschluss des Presbyteriums der Kirchengemeinde R. vom 13. September 1977 hinsichtlich der Regelung für den Beginn der Amtszeit des gewählten Presbyters S. zum Vorsitzenden und der Presbyterin P. zur stellvertretenden Vorsitzenden nicht der Bestimmung des Art. 65 Abs. 2 S. 1 KO entspricht. Soweit es in dem Beschluss des Presbyteriums der Kirchengemeinde R. vom 13. September 1977 heißt, dass der Wechsel im Vorsitz zum nächstmöglichen Zeitpunkt erfolgen solle und das Landeskirchenamt gebeten werde, „diesen Zeitpunkt bekannt zu geben“, hätte die Kirchenleitung als das für die Beklagte handelnde und nach Art. 156 Abs. 1 KO dafür zuständige Organ den Beschluss des Presbyteriums außer Kraft setzen und das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde R. zur Ergänzung seines Beschlusses auffordern müssen. Der Beginn der Amtszeit des zum Vorsitzenden gewählten Presbyters S. und der Presbyterin P. als seiner Stellvertreterin konnte rechtsverbindlich nur zu einem kalendermäßig genau bestimmten Zeitpunkt erfolgen. Eine solche zeitliche Festlegung eines nach der Wahl liegenden Zeitpunktes ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut, sondern auch aus dem Sinn und Zweck der kirchenrechtlichen Regelung. Darüber hinaus entspricht eine solche Auslegung auch nahe liegenden praktischen Bedürfnissen. Zum Einen ist auf diese Weise klargestellt, ab welchem Tage der aufgrund der Wahl des Vorsitzenden und der Bestimmung seines Stellvertreters beschlossene Wechsel vollzogen werden soll. Zum Anderen wird dadurch der Notwendigkeit Rechnung getragen, dass sich die davon Betroffenen auf den Amtswechsel einstellen und die dafür notwendigen Maßnahmen rechtzeitig getroffen werden können.
Aus der teilweisen Fehlerhaftigkeit des von dem Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde R. getroffenen Beschlusses vom 13. September 1977 über die Wahl des Presbyters S. zum Vorsitzenden und der Bestimmung der Presbyterin P. zu seiner Stellvertreterin folgt nun nicht, dass die von diesem Presbyterium unter dem Vorsitz des gewählten Presbyters S. als Vorsitzenden oder seiner Stellvertreterin P. beschlossenen Entscheidungen rechtsunwirksam sind. Der der Wahl des Presbyters S. zum Vorsitzenden und der Bestimmung der Stellvertreterin P. anhaftende Mangel im Beschluss des Presbyteriums kann dadurch geheilt werden, dass das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde R. seinen damaligen Beschluss durch einen neuen Beschluss mit Rückwirkung in der notwendigen Weise ergänzt. Dies kann dadurch geschehen, dass es den Wechsel zu Einem allein von ihm zu bestimmenden, kalendermäßig bestimmten Zeitpunkt festlegt. Durch einen solchen Beschluss erübrigen sich alle weiteren Ausführungen darüber, ob im kirchlichen Bereich nicht auch die im staatlichen Recht geltenden Regelungen vom Grundsatz her sinngemäß entsprechend anzuwenden sind, wonach sogar Beschlüsse solcher Gremien gültig sind, deren Wahl selbst oder bei denen die Wahl einzelner Mitglieder nachträglich als von Anfang an für ungültig erklärt worden sind, wie z.B. § 40 Abs. 5 des Gesetzes über die Kommunalwahlen im Lande Nordrhein-Westfalen (Kommunalwahlgesetz) in der Fassung vom 22. Juli 1974, GV NW 665 und § 22 Abs. 3 des Personalvertretungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen – Landespersonalvertretungsgesetz – vom 3. Dezember 1974, GV NW 1514, zeigen. Wenn dies schon in Fällen gilt, in denen die Ungültigkeit oder Nichtigkeit der Wahl eines Gremiums oder einzelner Mitglieder selbst schon durch Urteil festgestellt wird, um so eher können dann nicht die Beschlüsse eines Gremiums berührt werden, das, wie das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde R., rechtmäßig gewählt, bei dem lediglich die Wahl seines Vorsitzenden und die Bestimmung der Stellvertreterin hinsichtlich der Festlegung des Beginns ihrer Amtszeit mit einem noch nachträglich heilbaren Fehler behaftet sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 31 KiVwGO i.V.m. §§ 161 Abs. 1 und 155 Abs. 1 S. 1 und 2 VwGO.
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 156 Abs. 2 KO i.V.m. §§ 2 Abs. 1 und 32 KiVwGO ein Rechtsmittel nicht gegeben.