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Rundschreiben Nr. 26/2016 des Landeskirchenamtes
„Berechnung von Urlaubsansprüchen
bei Arbeitszeitwechsel“

Vom 12. September 2016 (Az.: 352.10/352.11)

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Die jüngere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichtes gibt Anlass, Sie auf Änderungen bei der Berechnung von Urlaubsansprüchen hinzuweisen, wenn im Laufe eines Arbeitsverhältnisses die Arbeitszeit verändert wird, sei es durch eine Erhöhung oder Reduzierung der wöchentlichen Arbeitstage oder täglichen Arbeitsstunden.
  1. pro-rata-temporis-Berechnung statt Resturlaubsmethode
    Die für derartige Fälle bisher angewandte Resturlaubsmethode des Bundesarbeitsgerichts stellt sicher, dass jeder Arbeitnehmer im Rahmen der einer Fünf-Tage-Woche insgesamt 30 Tage (nach § 25 Absatz 1 BAT-KF) Erholungsurlaub pro Jahr erhält.
    Die Berechnungsmethode des EuGH stellt hingegen nicht wie die alte BAG-Rechtsprechung auf eine wochenweise Betrachtung ab, sondern legt – im Übrigen ebenso wie § 25 BAT-KF – eine tageweise Betrachtung zugrunde.
    Dabei werden im Falle einer Arbeitszeitänderung die Urlaubstage, ausgehend von der Höhe des nach § 25 Absatz 1 BAT-KF zu bestimmenden jährlichen Mindesturlaubs, für die unterschiedlichen Zeiträume (Zeitraum vor der Änderung und Zeitraum nach der Änderung) separat berechnet.
    Beispiel:
    Ein Arbeitnehmer arbeitet vom 1. Januar bis zum 30. Juni an fünf Tagen pro Woche in Vollzeit. Machte er dies das ganze Jahr, hätte er gemäß § 25 BAT-KF einen Anspruch auf 30 Tage Erholungsurlaub. Ab dem 1. Juli reduziert sich seine Arbeitszeit jedoch auf eine Vier-Tage-Woche, was über das komplette Jahr gesehen 24 Urlaubstage bedeuten würde (4/5 x 30 Tage).
    Der Urlaubsanspruch wird nun aber für beide Zeiträume einzeln berechnet: Für das erste halbe Jahr der Vollzeit-Tätigkeit erhält der Arbeitnehmer demnach 15 Tage Urlaub, für das zweite Halbjahr in Teilzeit zwölf Tage, insgesamt erwirbt er somit einen Urlaubsanspruch über 27 Tage.
  2. Übertragung von Urlaubsansprüchen ins Folgejahr
    Dementsprechend ergeben sich auch Änderungen, wenn Arbeitnehmer Urlaubstage während eines Arbeitsjahres nicht beanspruchen und ins nächste Jahr übertragen. Zentral ist auch hier, dass es nach dem EuGH nicht mehr darum geht, Arbeitnehmern zwingend eine bestimmte Anzahl von Urlaubswochen zu sichern. Daraus können sich, sowohl zum Vor- als auch zum Nachteil des Arbeitnehmers, erhebliche Unterschiede ergeben: Angenommen, der Arbeitnehmer arbeitet im ersten Jahr fünf Tage wöchentlich in Vollzeit, so erwirbt er 30 Urlaubstage (6 Wochen, s. o.). Er nimmt diesen Urlaub allerdings nicht in Anspruch. Ab dem 1. Januar des Folgejahres jedoch vereinbart er mit dem Arbeitgeber eine Reduzierung und Umstellung seiner Arbeitszeit auf eine Ein-Tage-Woche.
    Nach der nicht mehr anzuwendenden Resturlaubsmethode müsste nun lediglich gewährleistet sein, dass der Arbeitnehmer die ihm "entgangenen" sechs Wochen Urlaub erhält. Weil er aber an vier von fünf Wochentagen ohnehin nicht mehr arbeitet, könnte er lediglich sechs Urlaubstage ins Folgejahr übertragen.
    Die neue Berechnungsmethode betrachtet den Urlaubsanspruch indes nicht mehr wochenweise: Der Arbeitnehmer könnte demnach die gesamten 30 Urlaubstage ins Folgejahr übertragen; er hätte in der Praxis tatsächlich 30 Wochen Urlaub übertragen.
    Umgekehrt kann sich die pro-rata-temporis-Berechnung aber auch negativ für den Arbeitnehmer auswirken: Arbeitet er im ersten Jahr lediglich an einem Wochentag und nimmt er die daraus resultierenden fünf Tage Jahresurlaub nicht wahr, erhält er auch im Folgejahr nur fünf zusätzliche Urlaubstage, wenn er zum 1. Januar des folgenden Jahres auf eine Fünf-Tage-Woche umsteigt. Nach der Resturlaubsmethode wären es sechs Wochen gewesen.
  3. Diskriminierungsschutz durch konsequente Anwendung
    Die pro-rata-temporis-Methode ist konsequent anzuwenden, was bedeutet, dass auch ein Ausweichen auf die Resturlaubsmethode des BAG zum Vorteil des Arbeitnehmers nicht mehr möglich ist: Dies basiert auf dem europarechtlichen Verständnis, dass der Urlaubsanspruch kein leistungsunabhängiger Freistellungsanspruch ist, sondern durch Arbeitsleistung erworben wird. Dieser Grundsatz wäre durchbrochen, wenn die Höhe des Urlaubsanspruchs im Einzelfall dann doch wieder leistungsunabhängig beurteilt würde.
    Zudem ist nur durch eine stringente Befolgung gewährleistet, dass die Diskriminierung von permanent Teilzeitbeschäftigten ausgeschlossen wird: Andernfalls wäre denkbar, dass Arbeitnehmer, die von der Voll- zur Teilzeit wechseln, durch taktisch geschickte Beanspruchung ihrer Urlaubstage (nämlich während der Vollzeitarbeitsphase) ein höheres Urlaubsentgelt erzielen können als permanent Teilzeitbeschäftige. Die Rechtsprechung des EuGH setzt somit das europarechtliche Bestreben um, Diskriminierungen im Arbeitsleben zu verhindern: Daraus folgt, dass von der pro-rata-temporis-Methode auch nicht durch vertragliche Vereinbarung abgewichen werden kann. Konkret läge hierin ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des § 4 Absatz 1 TzBfG.
  4. Erworbener Anspruch statt entstandenen Anspruchs
    Insgesamt kann die vom EuGH vertretene Berechnungsmethode dazu führen, dass das europarechtliche Verständnis von einem Urlaubsanspruch als erworbenem Anspruch die deutsche Sichtweise von einem bereits zu Jahresbeginn entstandenen Anspruch ablöst: Nur so könnten Arbeitszeitwechsler in Zukunft davor geschützt werden, dass sie zu viel erhaltenes Urlaubsentgelt zurückzahlen müssten. Diese Konstellation könnte sich ansonsten ergeben, wenn ein Arbeitnehmer seinen Jahresurlaub bereits vor dem Arbeitszeitwechsel beansprucht hat und so mehr Urlaubstage und folglich auch mehr Urlaubsentgelt erhalten hat, als ihm nach der pro-rata-Berechnung zustünden. Derartige Konstellationen würden durch die neue Berechnungsmethode verhindert: Urlaub, der noch nicht erworben worden ist, könnte schlicht nicht genommen werden.
  5. Hinweise zur Urlaubsentgeltberechnung
    Auch mit Blick auf die Berechnung des Urlaubsentgelts ergeben sich durch die EuGH-Rechtsprechung Änderungen: Zu beachten ist insbesondere, dass Ansprüche auf Urlaubstage, die während einer Vollzeitbeschäftigung erworben worden sind, auch bei der Entgeltberechnung als Vollzeit-Arbeitstage berücksichtigt werden müssen, wenn sich die Arbeitszeit des Arbeitnehmers unterjährig reduziert oder er seinen Urlaub in das Folgejahr überträgt. Dies gilt eben auch dann, wenn der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt, an dem er den Urlaub tatsächlich nimmt, mittlerweile täglich weniger arbeitet.
    Nach dem gleichen Prinzip müsste auch verfahren werden, wenn ausnahmsweise eine Urlaubsabgeltung gemäß § 7 Absatz 4 BUrlG stattfinden muss, weil das Arbeitsverhältnis beendet wird, ohne dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub nehmen konnte.
    Auch Konstellation zu Ungunsten des Arbeitnehmers sind dementsprechend möglich: Urlaubstage, die während einer Teilzeitbeschäftigung erworben worden sind, würden ebenfalls nur als Teilzeit-Arbeitstage berücksichtigt. Es kommt also bei der Urlaubsentgeltberechnung auf die Verhältnisse zu dem Zeitpunkt an, an dem der Urlaubsanspruch erworben wird und nicht auf den Zeitpunkt, an dem der Urlaubstag letztendlich genommen wird. Dies bedeutet eine Abweichung von § 11 BUrlG, der auf eine Durchschnittsbetrachtung abstellt bzw. bei Verdiensterhöhungen stets den erhöhten Verdienst zugrunde legt.