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Rundschreiben Nr. 14/2005 des Landeskirchenamtes betreffend Entwidmung von Gottesdienststätten

Vom 11. Mai 2005 (Az.: B 02-02)

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Entwidmung von Gottesdienststätten
In den vergangenen Jahren ist es aufgrund der angespannten Finanzsituation und aus verschiedenen sonstigen Gründen zur Aufgabe von Kirchen und anderen Gottesdienststätten gekommen. Der demographische Wandel, die damit verbundene Verringerung der Gemeindegliederzahlen, die Reduzierung der Pfarrstellen und nicht zuletzt der bauliche Zustand der betreffenden Gebäude haben zur Aufgabe von Gottesdienststätten geführt.
Soll eine Gottesdienststätte auf Dauer der gottesdienstlichen Nutzung entzogen werden (Entwidmung), bedarf es eines Beschlusses des Presbyteriums und der kirchenaufsichtlichen Genehmigung (vgl. § 46 Abs. 3 Verwaltungsordnung, VwO)1#.
Neben der frühzeitigen Inanspruchnahme der Beratung durch das Landeskirchenamt, sind vor der Beschlussfassung im Presbyterium im Rahmen eines Abwägungsprozesses unterschiedliche Aspekte zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang wird auf die Broschüre des landeskirchlichen Baureferates “Kirchen – umbauen, neu nutzen, umwidmen“ (http://www.ekvw.de/service/dokumente) verwiesen.
Nachfolgend teilen wir Ihnen einige Kriterien und Fragestellungen mit, die zukünftig in die Entscheidungsfindung bei Prüfung über die Aufgabe einer Gottesdienststätte einfließen sollen:
Strukturveränderungsprozesse
Die Entwidmung einer Gottesdienststätte muss mit den Strukturveränderungsprozessen und gegebenenfalls der Gemeindekonzeption in der Kirchengemeinde und in den Nachbarkirchengemeinden im Einklang stehen. Das Presbyterium stellt dazu im Ergebnis fest, welche der Gottesdienststätten in der Kirchengemeinde auf Dauer noch benötigt werden.
Nutzungsanalyse
Grundlage für die Entscheidung, Gottesdienststätten aufzugeben, ist eine Nutzungsanalyse sämtlicher Gottesdienststätten in der Kirchengemeinde. Die Nutzungsanalyse gibt Auskunft, wie häufig die Gottesdienststätten zurzeit genutzt werden und welche anderen gemeindlichen Aktivitäten in den Gebäuden stattfinden. Bei diesen Überlegungen sollten auch die vorhandenen Nutzungsmöglichkeiten in den Nachbarkirchengemeinden berücksichtigt werden.
Für die Zukunft legt das Presbyterium fest, wo die gemeindliche, seelsorgliche und gottesdienstliche Arbeit in der Kirchengemeinde stattfinden soll. Es berücksichtigt dabei, welchen Veränderungen die Gemeindeglieder ausgesetzt sein könnten, wenn Gottesdienste in einer anderen Gottesdienststätte abgehalten werden.
Demographische Entwicklung/zukünftige Auslastung
Das Presbyterium ermittelt die voraussichtliche Entwicklung der Gemeindegliederzahlen für einen Zeitraum von ca. zehn bis fünfzehn Jahren unter Berücksichtigung der Altersstruktur in der Kirchengemeinde bzw. im Einzugsgebiet der Gottesdienststätten. So wird deutlich, mit welcher Auslastung der Gottesdienststätten in der Kirchengemeinde zukünftig zu rechnen ist.
Finanzwirtschaftliche Situation in der Kirchengemeinde
Die finanzwirtschaftliche Situation in der Kirchengemeinde wird durch Auswertung der Jahresabschlüsse, des Rücklagen- und des Vermögensbestandes sowie des Schuldenstandes analysiert. Sollte sich die Kirchengemeinde in einem Haus-haltssicherungsverfahren befinden, so sind die §§ 67 a und 67 b VwO2# zu berücksichtigen. Die Höhe der durch die Entwidmung eingesparten Haushaltsmittel (Bewirtschaftungsmittel) ist zu ermitteln.
Baulicher Zustand der Gottesdienststätte
Es ist zu klären, in welchem baulichen Zustand sich die zu entwidmende und die übrigen Gottesdienststätten in der Kirchengemeinde befinden (Bauprioritätenliste). Die Bauunterhaltungsmaßnahmen an den Gottesdienststätten sind im Einzelnen darzustellen. Die Höhe der durch die Entwidmung voraussichtlich einzusparenden Bauunterhaltungsmittel sind anzugeben.
Investitionen
Als Folge der Entwidmung kann an anderer Stelle in der Kirchengemeinde ein Investitionsbedarf entstehen. Deshalb sollte der kurz- und mittelfristige Investitionsbedarf der Kirchengemeinde festgestellt werden. In diesem Zusammenhang ist unter Berücksichtigung des Rundschreibens des Landeskirchenamtes Nr. 20/2004 (Kirchenaufsichtliche Genehmigung von Investitionsmaßnahmen) vom 30.04.2004 zu prüfen, ob ausreichende Deckungsmittel zur Verfügung stehen.
Baulast-Patronate
Bestehen Patronate an der Gottesdienststätte, so ist zu prüfen, ob die Ansprüche der Kirchengemeinde durch die Entwidmung verloren gehen könnten. Entsprechendes gilt, wenn öffentliche oder private Mittelgeber baulastpflichtig sind. In einem solchen Fall ist die landeskirchliche Bauberatung notwendig.
Zukünftige Nutzung
Im Beschluss über die Entwidmung ist die Anschlussverwendung (z. B.: Vermietung, Erbbaurecht, Verkauf, Abriss) für das betreffende Gebäude/Grundstück zu bestimmen.
Dabei ist Rücksicht darauf zu nehmen, ob der zukünftigen Nutzung denkmal-rechtliche, bauplanungsrechtliche oder urheberrechtliche Belange entgegenstehen.
In diesem Zusammenhang wird auf einen Beschluss des Landeskirchenamtes vom 07.01.2003 hingewiesen, wonach “bei Vermietung, Verpachtung und Verkauf von Kirchen, Gemeindehäusern und anderen kirchlichen Gebäuden sowie bei deren Entwidmung weiterhin der Grundsatz gilt, dass die neue Nutzung in keinem Widerspruch zu ihrer ursprünglichen Bestimmung stehen darf. Dies schließt die Vermietung, Verpachtung und den Verkauf einer Kirche an eine Moscheegemeinde aus“. Ebenso ausgeschlossen ist damit die Nutzung durch eine Sekte, zum Beispiel die Zeugen Jehovas o.ä.. Unproblematisch ist hingegen die Nutzung oder auch Mitnutzung durch eine Kirche der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK).
Denkmalpflegerische und kulturelle Aspekte
Ist die betreffende Gottesdienststätte von künstlerischer oder historischer Bedeutung, so ist dieses bei der Entscheidung sowohl über die Entwidmung als auch über die weitere Verwendung des Gebäudes besonders zu berücksichtigen.
Es ist festzulegen, wie nach der Entwidmung mit den Einrichtungsgegenständen, insbesondere den Prinzipalstücken, der sakralen Ausstattung, den Glocken und der Orgel verfahren wird. Die rechtzeitige Information des Baureferates zur Durchführung der Inventarisierung ist notwendig. Die zuständigen Orgel- und Glockensachverständigen sind rechtzeitig vor einer Beschlussfassung über die Entwidmung zu beteiligen.
Bekanntgabe in der Kirchengemeinde und in der Öffentlichkeit
Besonders wichtig ist die angemessene Begleitung und Gestaltung des Prozesses der Entwidmung in der Kirchengemeinde und in der Öffentlichkeit. Die Gemeindeglieder sollten über das Vorhaben der Entwidmung, zum Beispiel im Rahmen einer Gemeindeversammlung, ausführlich informiert werden.
Wenn die Prüfung und die Abwägung der vorgenannten Gesichtspunkte die Aufgabe der Gottesdienststätte erforderlich machen, ist darüber ein Beschluss zu fassen. Diesem Beschluss ist zu entnehmen, dass der oben genannte Abwägungsprozess stattgefunden hat. Die Stellungnahme des Kreissynodalvorstandes sollte sich auf die vorgenannten Kriterien beziehen.
Eine schriftliche und schlüssige Abwägung der vorgenannten Kriterien ist mit den Beschlüssen dem Landeskirchenamt zur kirchenaufsichtlichen Genehmigung zuzusenden.

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1 ↑ Redaktioneller Hinweis: Die zitierte Verwaltungsordnung ist durch die Verwaltungsordnung kameral und die Verwaltungsordnung Doppsiche Fassung ersetzt worden (Nr. 800-k und 800-d).
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2 ↑ Redaktioneller Hinweis: Die zitierte Verwaltungsordnung ist durch die Verwaltungsordnung kameral und die Verwaltungsordnung Doppsiche Fassung ersetzt worden (Nr. 800-k und 800-d).