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Geltungszeitraum von: 01.07.2021
Geltungszeitraum bis: 30.06.2022
Erläuterungen zu Artikel 139a
Leitungsfeld 9 Recht und Organisation (Dr. Conring/Niebuhr/Huget)
Stand: 01.01.2021
###Allgemeines
Mit dem 68. Kirchengesetz zur Änderung der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche von Westfalen (KO – siehe KABl. 2020 I Nr. 93 S. 236) hatte die Landessynode 2020 die Einfügung eines Artikels 139a in die Kirchenordnung beschlossen. Dieser sieht vor, dass die Landessynode zur Erprobung neuer Organisations- und Arbeitsformen sowie zur Regelung von Notlagen befristete Kirchengesetze beschließen kann. Artikel 139a KO folgt Beispielen aus anderen Landeskirchen, die in ihren Verfassungen ebenfalls Regelungen für Erprobungsgesetze enthalten (vgl. z. B. Artikel 144 Kirchenordnung der Ev. Kirche im Rheinland, Artikel 77 Kirchenverfassung der Landeskirche Hannover, Artikel 62 Grundordnung der Landeskirche Baden u.a.).
Die Landessynode hatte bereits in der Vergangenheit die Möglichkeit, befristete Kirchengesetze zu erlassen. Im Rahmen von Artikel 107 Absatz 4 KO kann sie für die Zusammensetzung von Kreissynodalvorständen auch jetzt schon Kirchengesetze mit Abweichungen von der Kirchenordnung und zeitlicher Befristung (probehalber) erlassen (vgl. Kirchenkreisleitungsgesetz, das am 1. Januar 2012 in Kraft getreten ist und befristet bis zum 31. Dezember 2025 gilt). Der Regelungsgehalt des Artikels 139a KO erlaubt aber nun ausdrücklich eine temporäre Abweichung von allen Regelungen der Kirchenordnung, der Kirchengesetze und Rechtsverordnungen ohne Einschränkung der Regelungsgegenstände (Absatz 1 Satz 4). Er lässt damit auch eine zeitlich befristete Verfassungsdurchbrechung zu. Die Regelung bietet die Möglichkeit, neue Ordnungen, Arbeits- und Organisationsformen auf allen Ebenen der Landeskirche zunächst für einen bestimmten Zeitraum in der Praxis auszuprobieren, bevor die Entscheidung über eine eventuelle Kirchenordnungsänderung als Dauerlösung getroffen wird. Insofern dient die Bestimmung dem Schutz der Kirchenordnung vor zu häufigen, übereilten und praxisuntauglichen Änderungen. Zur Durchführung der Erprobungsgesetze kann der Kirchenleitung die Erlaubnis gegeben werden, Rechtsverordnungen zu beschließen (Absatz 1 Satz 2).
Eine Vorgabe für die zeitliche Dimension der Befristung ist für die Erprobungsgesetze in Artikel 139a KO nicht vorgesehen. So kann die Befristung unter Berücksichtigung des themenimmanenten Bedarfs erfolgen.
Folgendes Dokument steht zur Verfügung:
- Änderung der Kirchenordnung – 68. KO-Änderungsgesetz – Regelung für Erprobung und Notlagen – Artikel 139a – (Vorlage zur Landessynode 2020)
Absatz 1
Absatz 1 soll dazu einladen, neue Organisations-, Arbeits- und Strukturformen zeitlich befristet probeweise einzuführen. Zwar hat die Landessynode bereits jetzt die Kompetenz, befristete Kirchengesetze einzusetzen (vgl. z. B. das Kirchenkreisleitungsgesetz), hier wird aber explizit geregelt, dass durch diese Erprobungsregelungen die geltenden Kirchengesetze und Verordnungen (inklusive der KO) weiterhin bestehen bleiben und nur temporär von ihnen abgewichen wird. Während der Erprobungszeit werden die Regelungen neu evaluiert und gegebenenfalls durch permanente Rechtsänderungen umgesetzt. Ziel ist, mit Hilfe dieser „Testläufe“ offener für neue Organisations- und Arbeitsabläufe zu werden.
Die Soll-Vorschrift in Satz 3 erlaubt es, für kurzzeitige Notlagenregelungen nach Absatz 3 auf einen Evaluierungszeitraum zu verzichten.
#Absatz 2
Das Zustandekommen der Erprobungsgesetze (Beschlussfassung, Verkündung) erfolgt gemäß Artikel 139 KO in demselben Verfahren wie bei anderen Kirchengesetzen abhängig davon, ob eine Abweichung von der Kirchenordnung vorgesehen ist (Artikel 139a Absatz 2 KO [neu], Artikel 139 Absatz 2 KO).
#Absatz 3
Des Weiteren sieht Artikel 139a KO in Absatz 3 vor, dass die Regelungen für Erprobungsgesetze in den Absätzen 1 und 2 auch für Notlagenregelungen entsprechend gelten. Abweichend soll hier eine engere Befristung dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung tragen.
Dieser neue Artikel 139a Absatz 3 KO bildet auch die Rechtsgrundlage für den landessynodalen Beschluss des von der Kirchenordnung abweichenden Pandemie-Gesetzes. Dieses Gesetz wurde von der Landessynode 2020 beschlossen. Es ist am 1. Januar 2021 in Kraft getreten. Der neue Artikel 139a Absatz 3 KO dient seiner Formulierung nach aber nicht nur für das Pandemie-Gesetz als Rechtsgrundlage, sondern bietet der Landessynode grundsätzlich die Möglichkeit, in Notlagensituationen Kirchengesetze in temporärer Abweichung der weiter bestehenden Normen der Kirchenordnung, Kirchengesetze und Rechtsverordnungen zu treffen.
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