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Rundschreiben Nr. 19/2024 des Landeskirchenamtes betreffend die Entwidmung von Gottesdienststätten zu
§ 27 Absatz 3 Wirtschaftsverordnung – WirtVO1#

Vom 18. November 2024 (Az.: 900.18)

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Seit dem 01.01.2023 gilt die Wirtschaftsverordnung (WirtVO) mit dem Schwerpunkt auf Vermögens-, Finanz- und Ertragssteuerung. Eine Anpassung dieses Rundschreibens ist daher erforderlich.
Soll eine Gottesdienststätte auf Dauer der gottesdienstlichen Nutzung entzogen werden (Entwidmung), ist frühzeitig die Beratung des Landeskirchenamtes in Anspruch zu nehmen. Der Beschluss über die Entwidmung bedarf der Genehmigung des Landes-kirchenamtes (vgl. § 28 Abs.3 WirtVO).
Für die Antragsstellung auf Erteilung der kirchenaufsichtlichen Genehmigung sind folgende Unterlagen vorzulegen:
  • Presbyteriumsbeschluss
  • Beschluss des Kreissynodalvorstandes
  • Beteiligung Orgelsachverständige
  • Beteiligung Glockensachverständige
  • Beteiligung des Geschäftsbereichs Bau Kunst Denkmalpflege des Landeskirchenamtes
  • Stellungnahme Kreiskirchenamt gemäß § 11 Abs. 1 WirtVO.
Das Presbyterium hat vor der Beschlussfassung über die Entwidmung nachfolgende Aspekte im Rahmen eines Abwägungsprozesses zu berücksichtigten und das Ergebnis im Presbyteriumsbeschluss zu benennen:
1. Nutzungsanalyse
Die Entscheidung, Gottesdienststätten aufzugeben, basiert auf der Bewertung aller Gebäude der Gemeinde und ggf. auch der Nachbargemeinden im Umfeld (Planungsraum). Dabei werden deren Lage, kulturelle Bedeutung, Nutzbarkeit, Auslastung, baulicher Zustand und der damit verbundenen Unterhaltungssaufwand berücksichtigt.
Eine solche Nutzungsanalyse soll aufzeigen, wie oft und von wievielen Teilnehmenden die Gottesdienststätten aktuell genutzt werden und welche anderen Aktivitäten in den Gebäuden stattfinden. Dabei sollten auch die Nutzungsmöglichkeiten in den Nachbargemeinden berücksichtigt werden. Das Presbyterium entscheidet, wo in Zukunft die gemeindliche, seelsorgliche und gottesdienstliche Arbeit stattfinden soll. Dabei ist zu beachten, wie sich Veränderungen auf die Gemeindemitglieder auswirken könnten, wenn Gottesdienste in einer anderen Gottesdienststätte abgehalten werden.
2. Demographische Entwicklung / zukünftiger Bedarf
Das Presbyterium oder das zuständige Kreiskirchenamt ermitteln die zu erwartende Entwicklung der Gemeindegliederzahlen für die nächsten 10 bis 15 Jahre. Dabei berücksichtigen sie die Altersstruktur der Kirchengemeinde bzw. des Einzugsgebiets (Planungsraum) der Gottesdienststätten. Dementsprechend soll der zukünftige Bedarf an den Gottesdienststätten beurteilt werden.
3. Struktureller Veränderungsprozess
Die Entwidmung einer Gottesdienststätte sollte im Einklang mit dem strukturellen Veränderungsprozess sowie der eigenen eventuell anzupassenden Gemeindekonzeption und der der umliegenden Kirchengemeinden (Planungsraum) stehen.
4. Baulasten / Patronate
Bestehen Patronate an der Gottesdienststätte, so ist rechtzeitig zu prüfen, ob die Ansprüche der Kirchengemeinde durch die Entwidmung verloren gehen könnten. Entsprechendes gilt, wenn öffentliche oder private Mittelgeber baulastpflichtig sind.
5. Baulicher Zustand der gemeindlichen Gebäude
Die Bauunterhaltungsmaßnahmen aller Gottesdienststätten sowie aller anderen gemeindlichen Gebäude der Körperschaft sind im Einzelnen darzustellen Die Höhe der durch die Entwidmung voraussichtlich einzusparenden Bauunterhaltungsmittel mit Auswirkungen auf den gemeindlichen Haushalt ist anzugeben.
6. Denkmalpflegerische und kulturelle Aspekte
Ist die betreffende Gottesdienststätte und/oder ihre Ausstattung von architektonischer, städtebaulicher, künstlerischer oder historischer Bedeutung (auch wenn es sich nicht um ein eingetragenes Baudenkmal handelt) oder besitzt weitere kulturelle Potenziale, ist dies bei der Entscheidung sowohl über die Entwidmung, als auch über die weitere Verwendung des Gebäudes besonders zu berücksichtigen.
Die Kirchengemeinde plant und benennt, wie nach der Entwidmung mit den Einrichtungsgegenständen, insbesondere den Prinzipalstücken, der sakralen Ausstattung, den Glocken und der Orgel verfahren wird.
Die Beratung durch die zuständigen Orgel- und Glockensachverständigen sowie die landeskirchliche Bauberatung, einschließlich der Inventarisierung des kirchlichen Kunstgutes, ist frühzeitig in Anspruch zu nehmen.
7. Finanzwirtschaftliche Situation der Kirchengemeinde / Investitionen
Die finanzwirtschaftliche Situation der Kirchengemeinde ist durch das letzte Jahresergebniss darzustellen.
Sollte sich die Kirchengemeinde in einem Haushaltssicherungsverfahren (HSK) befinden, so ist der § 4 Finzwesenverordnung (FiVO) mit zugehöriger Richtlinie „Wirtschaftliche Grundsätze, Gefährdung des Haushalts, Verfahren zur Haushaltsaufstellung, Genehmigungsvorbehalt bei Haushalten und Haushaltssicherungskonzept“ zu beachten.
Die Höhe der durch die Entwidmung eingesparten Haushaltsmittel ist ebenfalls zu ermitteln. Als Folge der Entwidmung kann an anderer Stelle in der Kirchengemeinde ein Investitionsbedarf entstehen, der dargestellt werden muss.
8. Zukünftige Nutzung
Im Beschluss über die Entwidmung, ist die Anschlussverwendung (z. B. Investition für eine Umnutzung zur Ertragserzielung, Vermietung, Erbbaurecht, Verkauf, Abriss) für das betreffende Gebäude/Grundstück zu benennen.
Denkmal- und bauplanungsrechtliche sowie urheberrechtliche Belange sind zu berücksichtigen. In Abstimmung mit der landeskirchlichen Bauberatung, sind ggf. auch die staatlichen Denkmalbehörden zu beteiligen.
9. Bekanntgabe in Kirchengemeinde und Öffentlichkeit
Besonders wichtig ist die intensive Begleitung und Gestaltung des Prozesses der Entwidmung in der Kirchengemeinde und in der Öffentlichkeit. Die betroffenen Gemeindeglieder sollten über das Vorhaben der Entwidmung, z. B. im Rahmen einer Gemeindeversammlung, ausführlich informiert werden.
10. Antrag auf kirchenaufsichtliche Genehmigung
Die entsprechenden Beschlüsse, welche eine schriftliche und schlüssige Abwägung der vorgenannten Kriterien enthalten müssen, sind dem Landeskirchenamt zur kirchenaufsichtlichen Genehmigung zu übermitteln.
Zuletzt bitten wir Sie, die Hinweise über die künftige Nutzung der entwidmeten Gottesdienststätte aus dem anliegenden Merkbatt zu beachten. Bei Fragen zur Nachnutzung steht Ihnen die Landeskirchliche Beratung gern zur Verfügung.
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Merkblatt
Hinweise zur Nachnutzung entwidmeter Gottesdienststätten

1. Einklang der Nachnutzung mit ursprünglicher Bestimmung der entwidmeten
Gottesdienststätte
Wir weisen auf einen Beschluss des Landeskirchenamtes vom 7. Januar 2003 hin:
„Bei Vermietung, Verpachtung und Verkauf von Kirchen, Gemeindehäusern und anderen kirchlichen Gebäuden sowie bei deren Entwidmung gilt weiterhin der Grundsatz, dass die neue Nutzung in keinem Widerspruch zu ihrer ursprünglichen Bestimmung stehen darf. Dies schließt die Vermietung, Verpachtung und den Verkauf einer Kirche an eine Moscheegemeinde aus.“
Unproblematisch ist hingegen die Nutzung oder auch Mitnutzung durch eine Kirche der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK). Details zur Nachnutzung durch eine andere religiöse Gemeinschaften sind mit dem Landeskirchenamt abzustimmen.
2. Denkmalschutz
Gottesdienststätten in denkmalgeschützten Gebäuden genießen nach § 38 DschG NRW einen besonderen Schutz hinsichtlich der Anforderungen der Denkmalschutzbehörden. Die von Kirchen und Religionsgemeinschaften festgelegten Belange der Religionsausübung, sind zu berücksichtigen
Ab dem Zeitpunkt der Entwidmung dient das Gebäude nicht mehr der Religionsausübung. Folglich wird das denkmalgeschützte Gebäude wie jedes andere denkmalgeschützte Gebäude behandelt. Die besonderen Regelungen für denkmalgeschützte Gebäude, die der Religionsausübung dienen, finden keine Anwedung mehr.
3. Sonderbauverordnung
Gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 SBauVO muss die Sonderbauverordnung nicht auf als Gottesdienststätte gewidmete Räume angewendet werden.
Mit dem Zeitpunkt der Entwidmung entfällt dieser Ausnahmetatbestand. Die entwidmete Gottesdienststätte wird nun wie jede andere Versammlungsstätte behandelt. Bleibt das Gebäude im Eigentum der Kirchengemeinde und erfüllt das Gebäude die Kriterien einer Versammlungsstätte (Zulässiges Fassungsvermögen der Versammlungsstätte beträgt gemäß § 1 Abs. 1 SBauVO mehr als 200 Besucher; auf die tatsächliche Anzahl der Besucher kommt es nicht an), muss die Kirchengemeinde (oder der Kirchenkreis) als Eigentümerin und Betreiberin des Gebäudes dafür Sorge tragen, dass das Gebäude den Vorschriften der Sonderbauverordnung entspricht. Die Vorschriften der Sonderbauverordnung gehen über die landeskirchliche „Richtlinie zur Nutzung von Kirchengebäuden und sonstigen Gottesdienststätten“ hinaus.
Ob die Sonderbauverordnung angewendet werden muss, wird im Rahmen eines Bauantrages zur Nutzungsänderung des Gebäudes vom zuständigen Bauordnungsamt geprüft. Sobald die vorgenannten Voraussetzungen aus § 1 Abs. 1 SBauVO für einen Sonderbau vorliegen, sollte das Antragsformular für Sonderbauten verwendet werden, da der Antragssteller dafür verantwortlich ist, das richtige Antragsformular zu verwenden.
Ob eine Nutzungsänderung beantragt werden muss, sollte über einen Vorbescheid nach § 72 BauO NRW bei der zuständigen Bauordnungsbehörde angefragt werden. Hierzu sollten bereits alle Unterlagen, die für einen Antrag auf Nutzungsänderung erforderlich sind, eingereicht werden. Auch hier ist zu beachten, dass der Antragssteller dafür sorgen muss, dass der Vorbescheid alle notwendigen Angaben und Unterlagen beinhalten muss, damit die Bauordnungsbehörde zum richtigen Ergebnis kommt.
Als Ergebnis wird der Kirchengemeinde mitgeteilt, ob eine Nutzungsänderung erforderlich ist oder nicht. Der Vorbescheid ersetzt nicht die Baugenehmigung der Nutzungsänderung. Es handelt sich hierbei lediglich um eine Vorabprüfung, ob die aktuelle Baugenehmigung die zukünftige Nutzungsänderung umfasst. Die Nutzungsänderung ist zu beantragen, wenn der Vorbescheid ergibt, dass durch die zukünftige Nutzung eine Nutzungsänderung vorliegt. Auch hier muss das Antragsformular für Sonderbauten verwendet werden, wenn die vorgenannten Voraussetzungen aus § 1 Abs. 1 SBauVO vorliegen. Erst wenn die Baugenehmigung zur Nutzungsänderung vom zuständigen Bauordnungsamt erteilt wurde, darf das Gebäude wie zukünftig beabsichtigt genutzt werden. Wird die Nutzungsänderung nicht beantragt und das Gebäude trotzdem anders genutzt, liegt eine Ordnungswidrigkeit wegen illegaler Nutzung gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 13 BauO NRW vor. Diese Ordnungswidrigkeit kann gemäß § 84 Abs. 3 BauO NRW mit Bußgeldern bis zu 250.000 Euro geahndet werden.
Muss nach dem Vorbescheid keine Nutzungsänderung beantragt werden, kann die Kirchengemeinde das Gebäude wie beabsichtigt nutzen, sobald der Vorbescheid vorliegt.
Im Rahmen des Bauantrages auf Nutzungsänderung erfolgt auch die Prüfung, ob das Gebäude den Anforderungen der Sonderbauverordnung entspricht. Genügt das Gebäude den Anforderungen der Sonderbauverordnung nicht, wird der Antrag auf Nutzungsänderung entweder zurückgewiesen oder die Baugenehmigung auf Nutzungsänderung enthält entsprechende Auflagen. Das Gebäude darf dann nur wie beabsichtigt genutzt werden, wenn die Auflagen aus der Baugenehmigung erfüllt werden.

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1 ↑ Redaktioneller Hinweis: Siehe dazu Rundschreiben Nr. 19/2024 – Entwidmung von Gottesdienststätten (ausschließlich online über das FIS-Kirchenrecht abrufbar).