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Kirchengericht:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:16.05.1988
Aktenzeichen:VK 1/1986
Rechtsgrundlage:§ 42 VwGO
§§ 1, 4 Kirchenmitgliedschaftsgesetz
Art. 54 – 58 KO
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Aufsicht, Kirchenaufsichtliche Maßnahmen, Rechtsweg
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Leitsatz:

Ein Gemeindeglied oder ein Presbyter hat keinen Rechtsanspruch auf Einleitung kirchenaufsichtlicher Maßnahmen gegenüber dem Pfarrer seiner Heimatkirchengemeinde oder dem Superintendenten.

Tenor:

Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 6.000,- DM festgesetzt.
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Tatbestand:

Der Kläger, der bis zum Frühjahr 1988 dem Presbyterium der Ev.-Luth. Kirchengemeinde M. angehört hat, wandte sich seit 1985 in Eingaben an die Beklagte, in denen er das Landeskirchenamt und die Kirchenleitung um dienstaufsichtliche Maßnahmen hinsichtlich des Verhaltens von Pfarrer … und auch von Superintendenten V. bat. Durch Beschluss vom 19. Juni 1986 bestätigte die Kirchenleitung die Auffassung des Landeskirchenamtes, dass keine Veranlassung zur Einleitung kirchenaufsichtlicher Maßnahmen bestünde.
Gegen das ihm ohne Rechtsmittelbelehrung zugegangene Schreiben des Landeskirchenamtes vom 19. Juni 1986 wandte sich der Kläger mit Schriftsatz vom 27. September 1986 an die Verwaltungskammer. Trotz der ihm sowohl schon zuvor schriftlich als auch noch mündlich in der Sitzung vom 16. Mai 1988 geäußerten Bedenken gegen die Zulässigkeit seiner Klage vertritt der Kläger weiter die Ansicht, dass die Verwaltungskammer über sein Begehren sachlich zu entscheiden habe.
Der Kläger beantragt,
dass kirchenaufsichtlich gerügt oder beanstandet werden,
a)
das Verhalten von Herrn Superintendenten V. ihm gegenüber, insbesondere die Äußerungen in den Schreiben vom 3. August und 15. November 1984 und
b)
die Verhaltensweisen von Herrn Pfarrer … gemäß seinen Eingaben vom 23. Februar, 14. August, 19. September und 6. Dezember 1985.
Die Beklagte, die das Begehren des Klägers als so genannte Popularklage ansieht und deshalb den kirchengerichtlichen Rechtsweg für unzulässig hält, beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der von den Beteiligten überreichten Schriftstücke Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:

Die Klage des Klägers ist unzulässig.
Nach § 42 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), der über die Verweisungsregelung des § 31 des Kirchengesetzes über die Ordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 18. Oktober 1974 (KABl. 1974 S. 194), geändert durch Kirchengesetz vom 11. November 1983 (KABl. 1983 S. 214 – VwGG) auch im kirchengerichtlichen Verfahren gilt, ist eine Verpflichtungsklage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch die Ablehnung des beantragten Verwaltungsaktes in seinen Rechten verletzt zu sein.
Nach herrschender Rechtsprechung und Rechtslehre bedeutet die Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGO
– vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 6. Oktober 1964 – V C 58.63 – Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BverwG E) 19, 269 (271) und Redeker/von Oertzen, VwGO, Kommentar, 7. Aufl., RdNr. 25 zu § 42 VwGO, mit weiteren Nachweisen –
in erster Linie eine Konkretisierung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG), die auch im kirchengerichtlichen Bereich gilt. Auch hier dient § 42 Abs. 2 VwGO dazu, die Popularklage auszuschließen. Deshalb kann vor den kirchlichen Verwaltungsgerichten in zulässiger Weise nicht jemand klagen, der nicht sein eigenes Recht oder eigenes rechtliches Interesse, sondern lediglich ein kirchliches Interesse zu wahren sucht.
Vgl. Bericht des früheren Vorsitzenden des Zweiten Senats des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) der Evangelischen Kirche der Union, Prof. Dr. Gützkow (1978 – 1986) und die dort zitierten Beschlüsse des Gerichts vom 7. November 1983, VGH 50/83, 19. Dezember 1983, VGH 53/83, 12. April 1984, VGH 58 aus 84, 22. Mai 1984, VGH 54/83 und 5. September 1985, VGH 63/85.
Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Ausgangslage stellt die Ablehnung des Begehrens des Klägers durch die Beklagte, das im Antrag näher bezeichnete Verhalten des Superintendenten V. und auch des Pfarrers … kirchenaufsichtlich zu rügen oder zu beanstanden, keine Entscheidung dar, durch die ein eigenes Recht oder ein eigenes rechtliches Interesse des Klägers beeinträchtigt wird. Als Gemeindeglied und somit als Mitglied der Beklagten nach § 1 des Kirchengesetzes über die Kirchenmitgliedschaft vom 10. November 1976 (ABl. EKD 1976 S. 389; KABl. 1977 S. 26) sollen sich gemäß § 4 Abs. 1 dieses Gesetzes die Kirchenmitglieder am kirchlichen Leben beteiligen, kirchliche Ämter und Dienste übernehmen und zu Spenden bereit sein. Zwar folgt u.a. daraus auch, dass ein Kirchenmitglied vorgesetzte Stellen auf bestimmte Missstände und ihm bekannt gewordenes Fehlverhalten von Kirchenbediensteten zumindest hinweisen kann. Ob ein Kirchenmitglied jedoch zu einem solchen Verhalten verpflichtet ist, braucht hier nicht entschieden zu werden. Jedenfalls hat das Kirchenmitglied aber keinen einklagbaren Anspruch darauf, dass die von ihm unterrichtete Aufsichtsstelle in der von ihm gewünschten Weise tätig wird und Maßnahmen einleitet. An diesem Ergebnis vermag nun auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Kläger bis zum Frühjahr 1988 dem Presbyterium seiner Kirchengemeinde in M. angehört hat. Denn auch als Presbyter bestand für ihn kein Rechtsanspruch dahin, dass die Beklagte in der von ihm beantragten Weise kirchenaufsichtliche Maßnahmen zu ergreifen hatte. Aus keiner Vorschrift der Kirchenordnung lässt sich ein solches Recht eines Presbyters ableiten. Die dafür in Betracht kommenden Art. 54 bis 85 der Kirchenordnung (KO) geben für eine derartige Auslegung und Anwendung keinen Raum. Da dem Kläger auch als Presbyter weder ein eigenes Recht noch ein eigenes rechtliches Interesse für das von ihm geltend gemachte Begehren zustand, braucht es hier ebenfalls nicht entschieden zu werden, nach welchem Zeitpunkt die Sach- und Rechtslage zu beurteilen ist.
Die Kostenentscheidung des Verfahrens, für das nach § 29 Abs. 1 VwGG weder Gebühren noch Auslagen erhoben werden, beruht auf § 31 VwGG i.V.m. der entsprechenden Anwendung des § 154 Abs. 1 VwGO.
Gegen diese Entscheidung ist nach Art. 152 Abs. 2 KO i.V.m. § 2 Abs. 1 und 3 und § 32 VwGG ein Rechtsmittel nicht gegeben.