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Kirchengericht:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen
Entscheidungsform:Urteil (rechtskräftig)
Datum:22.06.1983
Aktenzeichen:VK 2/1983
Rechtsgrundlage:§ 580 ZPO
§ 153 VwGO
Art. 19 Abs. 4 GG
§ 2 Abs. 5 KiVwGG
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:Taufe, Sakrament, Rechtsweg, Restitutionsklage
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Leitsatz:

  1. Eine Restitutionsklage, um eine Taufe zu annullieren, ist unzulässig.
  2. Eine Annullierung aller Sakramente kann nicht Gegenstand eines kirchengerichtlichen Verfahrens sein, da Entscheidungen aus dem Bereich des Dienstes an Wort und Sakrament ausgenommen sind.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, für das weder Gebühren noch Auslagen erhoben werden, werden dem Kläger auferlegt.
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Tatbestand:

Der nach seiner Darstellung im Jahre 1939 getaufte und im Alter von 14 Jahren konfirmierte Kläger, der Deutscher ist und früher selbstständiger Vertreter war, gehörte bis zu seiner vor dem Amtsgericht D. in den Jahren 1976/77 abgegebenen Austrittserklärung der Evangelischen Kirche in Deutschland an. Nach seinen weiteren Angaben ist er nunmehr hauptberuflich als Missionar für den Islam tätig.
Mit seiner am 20. September 1982 eingegangenen Klage, zu deren Begründung er längere Ausführungen über den Koran und dessen Bedeutung für sein jetziges Leben machte, begehrte er die Annullierung seiner im Jahre 1939 erfolgten Taufe. Diese Klage – VK 4/1982 – wurde durch rechtskräftigen Bescheid des Vorsitzenden der Verwaltungskammer vom 10. November 1982 wegen offensichtlicher Unbegründetheit abgewiesen. Abgesehen von dem fehlenden Vorverfahren und der Regelung des § 2 Abs. 5 der kirchlichen Verwaltungsgerichtsordnung (KiVwGO), nach der „Entscheidungen aus dem Bereich des Dienstes an Wort und Sakrament (Zweiter Teil der Kirchenordnung)“ dem Verfahren vor der Verwaltungskammer nicht unterliegen, wurde der Kläger auch auf den von der Beklagten in der Sache vertretenen Standpunkt hingewiesen, dass eine gültig gespendete Taufe nach Lehre und Ordnung der Evangelischen Kirche nicht annulliert werden könne.
Mit seiner am 6. April 1983 eingegangenen Klage wendet sich der Kläger nicht nur gegen die Taufe, sondern auch gegen die anderen ihm gespendeten Sakramente. Im Wesentlichen trägt er vor, dass man ihn weiter einen getauften Christen nenne. Er aber bekenne sich zum Islam. Er möchte auch die durch weitere Sakramente auferlegten Fesseln aus früheren Jahren endgültig aufgehoben wissen.
Er beantragt,
die Annullierung aller Sakramente, die er erhalten habe.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt den Ausführungen des Klägers entgegen und hält die Klage für unbegründet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:

Die erneute Klage des Klägers kann ebenfalls keinen Erfolg haben.
  1. Soweit der Kläger wiederum die Annullierung seiner Taufe begehrt, ist die Klage schon deshalb abzuweisen, weil über diesen Antrag des Klägers durch den Bescheid des Vorsitzenden der Verwaltungskammer vom 16. November 1982 rechtskräftig entschieden worden ist. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 580 der Zivilprozessordnung (ZPO), der nach § 153 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und § 31 KiVwGO hier anwendbar ist, sind; ohne dass es wegen Fehlens jeglicher Anhaltspunkte dazu überhaupt weiterer Ausführungen bedarf, nicht gegeben. Nach dieser Vorschrift des § 580 ZPO findet eine Restitutionsklage nur in den nachfolgenden Fällen statt:
    „Die Restitutionsklage findet statt:
    1. Wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;
    2. wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war;
    3. wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat;
    4. wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist;
    5. wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat;
    6. wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist;
    7. wenn die Partei
      1. ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder
      2. eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.“
  2. Aber auch das über die Annullierung der Taufe hinausgehende Begehren des Klägers kann seine Klage nicht stützen. Insoweit fehlt es zum Einen wiederum an der Durchführung des vorausgehenden Verwaltungsverfahrens. Insoweit gilt, wie die Kammer in einem Urteil vorn 10. April 1978 schon entschieden hat, für sie als Kirchengericht der gleiche Grundsatz wie für das staatliche Verwaltungsgericht. Dieser Grundsatz besagt, dass die Verwaltungsgerichte aus dem sich aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Verhältnis von Verwaltungshandeln und gerichtlicher Kontrolle grundsätzlich nicht dazu berufen sind, sich als Erste mit bestimmten verwaltungsrechtlichen Anliegen zu befassen, bevor die Verwaltung Gelegenheit hatte, das entsprechende Begehren des Betroffenen zu prüfen und darüber zu entscheiden. Zum Anderen steht auch der beantragten Annullierung weiterer Sakramente als der Taufe die Vorschrift des § 2 Abs. 5 KiVwGO entgegen. Nach dieser Regelung unterliegen „Entscheidungen aus dem Bereich des Dienstes an Wort und Sakrament (Zweiter Teil der Kirchenordnung)“ nicht dem Verfahren vor der Verwaltungskammer.
Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 31 KiVwGO i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Dieses Urteil ist nach § 32 KiVwGO rechtskräftig, weil keiner der dort genannten Fälle vorliegt, in denen die Entscheidung der Verwaltungskammer mit dem Rechtsmittel der Berufung angefochten werden kann.