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Kirchengericht: | Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 11.10.1988 |
Aktenzeichen: | VK 5/1988 |
Rechtsgrundlage: | PfDG § 49 – 51 VwGG § 31 VwGO § 80 |
Vorinstanzen: | keine |
Schlagworte: | Einstweilige Anordnung, Abberufung, Beurlaubung |
Leitsatz:
Im Abberufungsverfahren kann eine einstweilige Anordnung auf Aufhebung der Beurlaubung von den Dienstgeschäften nur dann stattgegeben werden, wenn der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und bei einer Interessenabwägung das private Interesse überwiegt.
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.000,- DM festgelegt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller steht als Pfarrer im Dienste der Antragsgegnerin. Mit Wirkung vom 1. Oktober 1983 wurde ihm die Pfarrstelle der Ev.-Luth. Kirchengemeinde B. (Kirchenkreis …) übertragen.
Auf Antrag des Presbyteriums dieser Gemeinde fasste die Kirchenleitung der Antragsgegnerin nach Anhörung des Antragstellers mit Zustimmung des Kreissynodalvorstandes am 25. November 1987 den Beschluss, den Antragsteller mit Wirkung vom 31. Mai 1988 aus dieser Pfarrstelle abzuberufen. Zur Begründung dieses – im Wesentlichen auf § 49 Abs. 1 Buchst. b) des Kirchengesetzes über die dienstrechtlichen Verhältnisse der Pfarrer in der Evangelischen Kirche der Union (Pfarrerdienstgesetz – PfDG –) i.d.F. der Bekanntmachung vom 16. Mai 1981 (ABl. EKD 1981 S. 176; KABl. 1981 S. 201), zuletzt geändert durch Kirchengesetz vom 10. Juni 1986 (ABl. EKD 1986 S. 359; KABl. 1987 S. 33), gestützten – Beschlusses führte die Kirchenleitung aus, dass ein Tatbestand vorliege, der dem Antragsteller die gedeihliche Führung des Pfarramtes in der genannten Gemeinde unmöglich mache. Gegen diesen – mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen und ihm am 30. November 1987 ausgehändigten – Beschluss legte der Antragsteller unter dem 2. Dezember 1987 Widerspruch ein, den die Kirchenleitung durch Widerspruchsbescheid vom 18. März 1988 als unbegründet zurückwies. Am 6. April 1988 hat der Antragsteller gegen die Abberufung Klage (VK 2/1988) erhoben.
Mit formlosem Schreiben vom 27. November 1987 teilte das Landeskirchenamt der Antragsgegnerin dem Antragsteller unter Hinweis auf § 51 Abs. 1 PfDG mit, dass es ihn im Anschluss an seine Abberufung mit sofortiger Wirkung von seinen Dienstgeschäften beurlaubt habe; zur Begründung nahm das Landeskirchenamt auf die Gründe der Abberufung Bezug und führte ergänzend aus, die sofortige Beurlaubung sei durch die „Gemeindesituation“ erforderlich. Gegen diese Anordnung legte der Antragsteller gleichfalls Widerspruch ein. Das Landeskirchenamt teilte ihm daraufhin durch Schreiben vom 23. Dezember 1987 mit, dass es einem Beschluss der Kirchenleitung zufolge bei der sofortigen Beurlaubung verbleiben müsse. Am 7. Juni 1988 hat der Antragsteller auch gegen die Beurlaubung Klage erhoben (VK 4/1988).
Mit Schreiben vorn 17. Mai 1988 teilte das Landeskirchenamt dem Antragsteller mit, dass es die sofortige Vollziehung der Beurlaubung anordne. Diese, auf § 31 Satz 1 des Kirchengesetzes über die Ordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Evangelischen Kirche von Westfalen (VwGG) vorn 18. Oktober 1974 (KABl. 1974 S. 194), geändert durch Kirchengesetz vorn 11. November 1983 (KABl. 1983 S. 214), i.V.m. § 80 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gestützte, Maßnahme sei im Wesentlichen aus folgenden Gründen geboten:
An der sofortigen Vollziehung der Beurlaubung bestehe ein besonderes kirchliches Interesse, wie sich schon aus der Begründung des Abberufungsbeschlusses vom 25. November 1987 und des Widerspruchsbescheides vom 18. März 1988 ergebe und auch in der Antragserwiderung vorn 28. April 1988 in dem Verfahren VK 3/1987 dargelegt worden sei. Nur durch die sofortige Vollziehung der Beurlaubung sei der Gefahr einer Spaltung der Gemeinde B. zu begegnen. Dass es immer wieder zur Polarisation der Gemeinde käme, wenn der Antragsteller dort seinen Dienst wieder aufnähme, ergebe sich gerade aus der Begründung seiner gegen die Abberufung gerichteten Klage und aus den im Presbyterium seit Beginn des Jahres 1988 eingetretenen Veränderungen. Die Annahme der Kirchenleitung, dass der dem Antragsteller eigene Mangel an Integrationskraft zur Zerstörung der Gemeinde führen würde, werde auch nicht dadurch ausgeräumt, dass sich einzelne Gemeindemitglieder für sein Verbleiben einsetzen. Die persönlichen Interessen des Antragstellers wögen demgegenüber gering, zumal er sich der Gemeinde gegenüber schon am Ende 1986 dahin geäußert habe, dass er bereit sei, die Gemeinde spätestens 1988 zu verlassen, und die Beurlaubung seinen Status als Pfarrer ohnehin nicht berühre.
Im vorliegenden, auf Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes gerichteten Verfahren macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend:
Die Beurlaubung sei offensichtlich rechtswidrig. Wie er bereits in den die Abberufung betreffenden Verfahren näher ausgeführt habe, könne keine Rede davon sein, dass ihm die gedeihliche Führung des Pfarramtes in der Gemeinde B. unmöglich gemacht worden sei; mithin sei es auch nicht gerechtfertigt, ihn mit sofortiger Wirkung von seinen Dienstgeschäften zu beurlauben. Ohnehin dürfe eine Beurlaubung nicht mehr ausgesprochen werden, wenn erst einmal die Abberufung selbst beschlossen worden sei.
Der Antragsteller beantragt, | |
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landeskirchenamtes der Antragsgegnerin vom 27. November 1987 wiederherzustellen. | |
Die Antragsgegnerin beantragt, | |
den Antrag abzulehnen. |
Sie hält den Antrag für unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
- Im vorliegenden Verfahren kann dahinstehen, ob eine „einstweilige Anordnung“ der Beurlaubung (§ 51 Abs. 1 PfDG) im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen einer kirchengerichtlichen Oberprüfung zugänglich ist, was die Kammer in ihrem Urteil gleichen Rubrums vom 16. Mai 1988 (VK 3/1987) angenommen hat, oder ob die Ansicht der Antragsgegnerin zutrifft, sie sei gerichtlicher Oberprüfung gänzlich entzogen.Offen bleiben kann im vorliegenden Verfahren auch, ob die gegenüber dem Antragsteller ausgesprochene „einstweilige Anordnung“ der Beurlaubung noch rechtliche Wirkungen entfaltet oder ob sie sich mit Ablauf des 31. Mai 1988 – mit dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Abberufung – erledigt hat; entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin hat die Kammer sich zu dieser Frage in den Entscheidungsgründen des genannten Urteils nicht geäußert und hatte zu einer Erörterung dieser Frage in jenem Rechtsstreit auch ebenso wenig Anlass wie in dem vorliegenden Verfahren.Wäre eine „einstweilige Anordnung“ der Beurlaubung einer kirchengerichtlichen Überprüfung gar nicht zugänglich oder hat sich die hier in Rede stehende Beurlaubung mittlerweile erledigt, so bleibt der Antrag des Antragstellers schon deshalb erfolglos. Bei Annahme des Gegenteils aber scheitert er aus anderen Gründen.
- Der Antrag hat nämlich jedenfalls in der Sache keinen Erfolg.Hat eine Kirchenbehörde – wie hier – unter Hinweis auf § 31 Satz 1 VwGG i.V.m. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO im überwiegenden kirchlichen Interesse die sofortige Vollziehung eines von ihr erlassenen Verwaltungsaktes angeordnet, so kann die Verwaltungskammer gemäß § 31 Satz 1 VwGG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO auf Antrag des Betroffenen die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs ganz oder zum Teil wieder herstellen. Ein solcher Antrag hat jedoch nur dann Erfolg, wenn der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und demnach an seiner sofortigen Vollziehung kein überwiegendes kirchliches Interesse bestehen kann, oder wenn das private Interesse des Betroffenen daran, von der Vollziehung des Verwaltungsaktes vorerst, bis zum Eintritt seiner Bestandskraft, noch verschont zu bleiben, das kirchliche Interesse an seiner sofortigen Vollziehung überwiegt. Keine dieser Voraussetzungen ist hier erfüllt.
- Die dem Antragsteller gegenüber ausgesprochene „einstweilige Anordnung“ der Beurlaubung ist nicht offensichtlich rechtswidrig; vielmehr spricht vieles für ihre Rechtmäßigkeit.Gemäß § 49 Abs. 1 PfDG kann ein Pfarrer im Interesse des Dienstes aus seiner Pfarrstelle abberufen werden, wenn einer der in Buchst. a) bis d) dieser Vorschrift genannten Tatbestände erfüllt ist. Gemäß § 51 Abs. 1 PfDG kann das Landeskirchenamt durch einstweilige Anordnung den Pfarrer von seinen Dienstgeschäften beurlauben.Wie die Kammer mit Beschluss vom heutigen Tage im Verfahren gleichen Rubrums (VK 3/1988) dargelegt hat, dürfte die Entscheidung der Kirchenleitung der Antragsgegnerin, den Antragsteller aus der Pfarrstelle der Gemeinde B. abzuberufen, nach der erstgenannten Vorschrift rechtens sein. Die Entscheidung des Landeskirchenamtes den Antragsteller zu beurlauben, dürfte ihrerseits in § 51 Abs. 1 PfDG ihre Grundlage finden. Die Beurlaubung, die ganz im Gegensatz etwa zu einer vorläufigen Dienstenthebung (§ 91 der Disziplinarordnung des Landes Nordrhein-Westfalen) ebenso wenig wie die Abberufung selbst disziplinarischen Charakter trägt, ist die einstweilige Maßnahme zu der – endgültigen – Maßnahme der Abberufung. Beide Maßnahmen stehen zueinander in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis; die Beurlaubung erhält – unbeschadet besonderer zusätzlicher Gesichtspunkte – ihr Gepräge und ihre Grundlage durch den Beschluss über die Abberufung selbst.Vgl. Verwaltungsgerichtshof der Evangelischen Kirche der Union, 2. Senat, Beschluss vom 14. August 1981 – 40/81 –.Sie unterscheidet sich von jener insbesondere dadurch, dass sie einerseits nur die Wahrnehmung der mit dem in Rede stehenden Pfarramt verknüpften Dienstgeschäfte zum Gegenstand hat, andererseits aber ohne Einhaltung der Frist des § 50 Abs. 3 Satz 2 PfDG auch zu einem früheren Zeitpunkt, ja erforderlichenfalls sogar mit sofortiger Wirkung ausgesprochen werden kann. In Anbetracht der Gesichtspunkte, die für die Rechtmäßigkeit der Abberufung des Antragstellers sprechen, dürfte im vorliegenden Fall auch die Entscheidung des Landeskirchenamtes, den Antragsteller von seinen Dienstgeschäften mit sofortiger Wirkung zu beurlauben, rechtmäßig sein. Liegt ein Tatbestand vor, der dem Pfarrer die gedeihliche Führung des Pfarramtes in seiner Gemeinde unmöglich macht, mithin nach § 49 Abs. 1 Buchst. b) PfDG seine Abberufung rechtfertigt, so rechtfertigt dieser Tatbestand, wie in aller Regel, so auch hier, es auch, ihn bereits zu einem Zeitpunkt, der noch vor demjenigen des Eintritts der Wirkungen der Abberufung liegt, von seinen Dienstgeschäften zu beurlauben, um auf diesem Wege schon vor jenem Zeitpunkt die Erfüllung der Aufgaben des Pfarrers in der betroffenen Gemeinde sicherzustellen. Die Ansicht des Antragstellers, aus § 51 Abs. 2 PfDG ergebe sich, dass eine Beurlaubung nur ausgesprochen werden dürfe, bevor die Kirchenleitung die Abberufung beschließe, geht fehl. Warum die Antragsgegnerin zwar befugt sein soll, einen Pfarrer mit sofortiger Wirkung von seinen Dienstgeschäften zu beurlauben, und sodann innerhalb von drei Monaten über die Abberufung selbst zu entscheiden, die erst weitere sechs Monate später Wirkung erlangen kann (§ 50 Abs. 3 Satz 2 PfDG), aber gehindert sein soll, unter Beachtung der sechsmonatigen Frist des § 49 Abs. 3 Satz 2 PfDG seine Abberufung zu beschließen und erst dann – zwecks Verhinderung einer weiteren Ausübung der Dienstgeschäfte – ihn von diesen mit sofortiger Wirkung zu beurlauben, ist keinesfalls nachzuvollziehen.
- Da demnach auch die „einstweilige Anordnung“ der Beurlaubung nicht offensichtlich rechtswidrig ist, vielmehr auch für ihre Rechtmäßigkeit vieles spricht, geht auch hinsichtlich dieser Maßnahme die Abwägung des kirchlichen Interesses an ihrer sofortigen Vollziehung und des privaten Interesses des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage zu Lasten des Antragstellers aus. Insoweit kann auf die Ausführungen im Beschluss gleichen Rubrums vom heutigen Tage (VK 3/1988) mit der Maßgabe Bezug genommen werden, dass das private Interesse des Antragstellers daran, vorerst weiter in der Gemeinde B. seine Dienstgeschäfte auszuüben, gegenüber dem entgegenstehenden kirchlichen Interesse noch weniger Gewicht deshalb hat, weil die Beurlaubung von den Dienstgeschäften als solche für ihn noch weniger nachteilige Folgen mit sich bringt als die Abberufung selbst, deren Folgen ohnehin gleichfalls recht beschränkter Art sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 31 Satz 1 VwGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Gebühren und Auslagen werden für das Verfahren nicht erhoben (§ 29 Abs. 1 VwGG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.