.Gemeinsame Richtlinien
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Gemeinsame Richtlinien
der Evangelischen Kirche im Rheinland,
der Evangelischen Kirche von Westfalen,
der Lippischen Landeskirche
und der Evangelisch-reformierten Kirche
für die Fortbildung in den ersten Amtsjahren
am Gemeinsamen Pastoralkolleg
Vom 19. Mai 20111#
(KABl. 2011 S. 248)
Änderungen
Änderndes Recht | Datum | Fundstelle | Geänderte Artikel | Art der Änderung | |
1 | Erste Richtlinie zur Änderung der Gemeinsamen Richtlinien der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Evangelischen Kirche von Westfalen, der Lippischen Landeskirche und der Evangelisch-reformierten Kirche für die Fortbildung in den ersten Amtsjahren am Gemeinsamen Pastoralkolleg | 30. September 2021 | Ziffer 4 Sätze 8 bis 11 | neu gefasst |
„Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes“ (1. Petrus 4, 10).
1 Die obligatorische Fortbildung in den ersten Amtsjahren (FEA) bildet den Übergang von der ersten und zweiten Ausbildungsphase zur kontinuierlichen berufsbegleitenden Fortbildung in allen Amtsjahren. 2 Die FEA begleitet den berufsbezogenen lebenslangen Lernprozess in seiner Anfangsphase und unterstützt darin, die empfangenen Gaben zu gestalten. 3 Sie hat das Ziel, die für die eigenständige Wahrnehmung des pfarramtlichen Dienstes erforderlichen Handlungskompetenzen weiterzuentwickeln, zu fördern und zu vertiefen. 4 Die in den pfarramtlichen Tätigkeiten gemachten Erfahrungen können hier reflektiert, neue Herausforderungen wahrgenommen, das bisherige theologische und praktische Wissen ergänzt werden. 5 Die vom Gemeinsamen Pastoralkolleg angebotenen Kollegveranstaltungen eröffnen den Erfahrungsraum für eine geistlich orientierte und orientierende Lern- und Lebensgemeinschaft auf Zeit.
1. Theologische Existenz und Bildung
1 Gestaltung und Reflexion der theologischen Existenz und pastoralen Identität bilden im Zusammenklang der verschiedenen Fähigkeiten und Kompetenzen eine wesentliche Dimension der Fortbildung.
2 Die drei Aspekte Glauben, Leben und Lernen gehören untrennbar zusammen. 3 Deswegen können die für den pastoralen Dienst notwendigen Kompetenzen nur in der Verschränkung von personaler, fachlicher und spiritueller Bildung angeeignet werden. 4 In den einzelnen Fortbildungen werden die Schwerpunkte zwischen den Aspekten Spiritualität, fachlicher Bildung und Förderung der personalen Entwicklung unterschiedlich gesetzt; grundsätzlich bleiben sie aber aufeinander bezogen. 5 Alle Angebote geben Raum zur Praxis und Erfahrung geistlichen Lebens, bilden in fachlicher Hinsicht fort und geben Anregungen für die persönliche Entwicklung.
6 Entsprechend der besonderen Beanspruchung der eigenen Person und der Notwendigkeit von Fähigkeiten und Kenntnissen im pfarramtlichen Dienst gibt es Fortbildungen mit besonderem Akzent auf dem situationsinvarianten Kern theologischer Kompetenz und Angebote zur Gewinnung besonderer Fähigkeiten und Kenntnisse. 7 In beiden Fällen ist das Ziel eine förderliche Balance von Bildung der Person und Vermittlung von Kompetenzen und Qualifikationen für die Wahrnehmung des Dienstes.
8 Die Begegnung von Pfarrerinnen und Pfarrern und weiterer haupt- und ehrenamtlich in der Kirche Tätigen verschiedenen Lebens- und Dienstalters aus verschiedenen persönlichen Situationen und pastoralen Tätigkeitsfeldern bietet Gelegenheit zu inspirierendem Erfahrungsaustausch. 9 Damit gewinnen die Möglichkeiten der Fortbildung eine dem pastoralen Berufsalltag entsprechende weite Perspektive, und die Dienstgemeinschaft wird gefördert.
10 Die in der Barmer Theologischen Erklärung bekannte Dynamik des Glaubens ist auch für die Fortbildung bleibend aufgegeben: Gottes Wort hören, Gottes Wort vertrauen, Gottes Wort gehorchen. 11 Die erworbenen und vertieften Kompetenzen stehen im Dienst, den Auftrag der christlichen Gemeinde zu erfüllen: Gott zu ehren, Gerechtigkeit tatkräftig zu bezeugen, mitzuhelfen, die von Jesus gestiftete Beziehungsordnung der Barmherzigkeit aufzurichten. 12 Die in diesem Auftrag beschlossene Einheit von Gottes- und Nächstenliebe weist auf die wesentliche diakonisch-ethische Dimension allen kirchlichen Handelns und ist daher integrales Moment der im Folgenden beschriebenen Kompetenzbereiche.
2. Die Kompetenzbereiche
1 Entsprechend der persönlich-beruflichen Situation werden im Verlauf der FEA-Zeit zwei Kompetenzbereiche gewählt, in denen im Verlauf der FEA je drei bis vier Kollegs belegt werden. 2 Dies bewirkt eine vertiefende Konzentration in der Fortbildung und lässt Spielraum für das Erkunden neuer Handlungsfelder. 3 In ihren gewählten Kompetenzbereichen haben die in der FEA befindlichen Pfarrerinnen und Pfarrer bei fristgerechter Anmeldung ein Recht auf bevorzugte Aufnahme in Pastoralkollegs. 4 Für die Schwerpunktbildung stehen sechs Kompetenzbereiche zur Auswahl:
Theologisch-spirituelle Kompetenz
1 Theologisch-spirituelle Kompetenz zielt auf Verantwortung und Rechenschaft des Glaubens in der gegenwärtigen Lebenswelt sowie Glaubens- und Verkündigungsgemeinschaft. 2 Theologisch orientierende Bildung stärkt das theologische Urteilsvermögen, fördert die erfahrungsbezogene und zielgruppenorientierte Elementarisierung komplexer Sachverhalte, vermittelt neue theologische Entwicklungen und Herausforderungen, dient der Reflexion pastoraler Praxis, ekklesiologischer wie gesellschaftlicher Entwicklungen.
3 Die spirituelle Dimension dieses Kompetenzbereiches zielt auf Kenntnisse bezüglich der christlichen spirituellen Traditionen und praktischen Vollzüge, Findung, Vertiefung und Praxis einer eigenen Form geistlichen Lebens, als Grundlage und Quelle für den pastoralen Dienst, Erfahrungswissen im Blick auf wirksame Dynamiken und Vorgänge im geistlichen Leben, Auskunftsfähigkeit im Blick auf spirituell suchende Menschen, Vermittlung und Begleitung geistlicher Vollzugsformen.
Gottesdienstliche Kompetenz
1 Gottesdienstliche Kompetenz wird ausgebildet, indem gottesdienstliche Theorie und Praxis mit Blick auf die eigene Rolle reflektiert werden. 2 Die eigene gottesdienstliche Praxis wird in liturgischer, homiletischer und kommunikativer Hinsicht vertieft. 3 Dabei werden auch homiletische Herausforderungen außerhalb des Gemeindegottesdienstes in den Blick genommen. 4 Es ist ein entscheidendes Ziel, in diesem Handlungsfeld eine immer größer werdende Rollensicherheit zu erreichen.
5 Die Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft der Gegenwart werden im Spannungsfeld von Tradition und Innovation theologisch reflektiert. 6 Das wiederum fördert die Fähigkeit zu verantwortlicher Gestaltung von Gottesdienst und Verkündigung. 7 Dazu gehört die besondere Berücksichtigung der Aspekte Theologie des Gottesdienstes, Spiritualität, Ökumene, Geschlechterdifferenz sowie Kooperation und Partizipation.
8 Eine besondere Aufmerksamkeit kommt dem interdisziplinären Zusammenwirken der Ämter im Gottesdienst zu. 9 Haupt-, Neben- und Ehrenamtliche sind je nach ihren Gaben und ihrem Auftrag gemeinsam mit der Gemeinde an der Feier beteiligt. 10 Durch die Zusammenarbeit von Pfarrerinnen und Pfarrern mit Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusikern und weiteren Beteiligten in liturgischen Funktionen wird der eigene Erfahrungshorizont vertieft.
Seelsorgliche Kompetenz
1 Seelsorgliche Kompetenz umfasst, bezogen auf den Aspekt der Gesprächsführung, die Fähigkeit zu Echtheit, Wertschätzung und Empathie, bezogen auf den Aspekt der Verkündigung, die Fähigkeit, vom eigenen Glauben zu sprechen und biblisch-theologische Inhalte situationsangemessen einzubringen und zu formulieren, sowie, bezogen auf die eigene Person, die kritische Auseinandersetzung mit der Rolle und der eigenen Persönlichkeit.
2 Die seelsorgliche Fortbildung in der FEA zielt weiter darauf, seelsorgliche Erfahrungen, die in der eigenen Praxis gewonnen wurden, kontinuierlich zu begleiten, auf diesem Hintergrund zu einem reflektierten Seelsorgeverständnis zu kommen sowie sich mit Spezialgebieten von Seelsorge in Bezug auf das derzeitige Praxisfeld oder auch angestrebte Aufgaben zu beschäftigen.
Pädagogische Kompetenz
1 Pädagogische Kompetenz bezeichnet die Fähigkeit, Glaubens- und Lebensthemen in theologisch reflektierter Weise so in den Lernprozess einer bestimmten Gruppe einzubringen, dass sich die Gruppenmitglieder diese für ihren Lebenszusammenhang erschließen und fruchtbar machen können. 2 Sie schließt das Vermögen ein, die eigenen Lehrziele zu bestimmen und diese mit den Handlungszielen der Lerngruppe zu vermitteln.
3 Diese Fähigkeit wird entwickelt u. a. durch den Diskurs mit Geisteswissenschaften (z. B. Psychologie, Soziologie und Pädagogik), die kritische Reflexion von eigener und fremder pädagogischer Praxis, die Erweiterung des methodischen Repertoires unter besonderer Berücksichtigung der Mehrdimensionalität und Wechselseitigkeit aller Lernprozesse, die Arbeit an der eigenen Kommunikationsfähigkeit und die Profilierung eigener pädagogischer Absichten im Spannungsfeld von Gruppe, Lernort und Thema. 4 Im Bereich „pädagogische Kompetenz“ berücksichtigt die FEA sowohl die Institutionen der Gemeindearbeit, die darüber hinausgehenden kirchlichen Handlungsfelder und den schulischen Bereich. 5 Sie leitet dazu an, die Strukturen und Gesetzmäßigkeiten der gemeindepädagogischen Bildungsinstitutionen zu verstehen und sachgemäß mit ihnen zu arbeiten.
Kybernetische Kompetenz
1 Kybernetische Kompetenz bezeichnet, im Horizont der Unterscheidung des Verfügbaren und Unverfügbaren, die Fähigkeit, eine lebendige Gemeinde aufzubauen und zu leiten.
2 Nach 1. Korinther 12 ist sie eingebettet in die Vielfalt gemeindlicher Gaben und Aufgaben. 3 Pfarrerinnen und Pfarrer sind in die Leitung der Gemeinde eingebunden. 4 Dies setzt kritische Selbstreflexion, konkrete Zielvorstellungen und geschwisterlichen Umgang mit Mitarbeitenden ebenso voraus wie theoretische Kenntnisse im Bereich Kybernetik einschließlich des Kirchenrechts sowie die Vertrautheit mit wirksamen und förderlichen Instrumenten der Leitung.
5 In den ersten Amtsjahren kommen zu der Theorie der kybernetischen Grundausbildung im Vikariat die praktischen Erfahrungen in Gemeinde und Pfarramt. 6 Beides soll nun reflektiert und fruchtbar gemacht werden, um so die eigene Berufsrolle verantwortlich wahrzunehmen und ein eigenes biblisch-theologisch fundiertes Konzept für Gemeindeaufbau und Gemeindeleitung zu entwickeln. 7 In der Zeit der FEA sollen Pfarrerinnen und Pfarrer die Frage der Berufsidentität in Auseinandersetzung mit der eigenen Person wie in Auseinandersetzung mit Konzepten für ihre Berufsrolle, eine eigene Vorstellung von Gemeindeentwicklung und Leitung entwickeln und Fertigkeiten und Techniken für die Umsetzung kybernetischer Kompetenz im pfarramtlichen Alltag erwerben (z. B.: Moderation, Präsentation, Umgang mit Gemeindegliedern, Schulung von Mitarbeitenden, Auftreten in der Öffentlichkeit, Öffentlichkeitsarbeit, missionarische Projekte, Projektmanagement, Verständnis für den diakonischen Auftrag von Gemeinden und für das Verhältnis von Kirche und Diakonie).
Ökumenische und interreligiöse Kompetenz
1 Ökumenische und interreligiöse Bildung stärkt die im Bewusstsein der eigenen religiösen und konfessionellen Identität gewonnene Fähigkeit zur Übernahme von Verantwortung im missionarischen und konziliaren Prozess sowie im Dialog der Religionen. 2 Sie bildet sich durch Kenntnis und Authentizität des eigenen Bekenntnisses sowie die Erfahrung der Kulturen und Nationen übergreifenden Gliedschaft am Leib Christi. 3 Der Weg dahin ist gekennzeichnet durch die Momente Kennenlernen, Erfahren und Einüben und führt zu einer Auskunfts- und Ausdrucksfähigkeit. 4 Einen geeigneten Raum dafür stellt die Form des Begegnungskollegs dar, das die Chance eröffnet, die oder den anderen wahrzunehmen. 5 Um diese ökumenische Kompetenz zu erlangen, gibt die FEA Gelegenheit, Themen der multilateralen und der Gerechtigkeitsökumene zu reflektieren, die Weite des Christentums kennenzulernen, Partnerschaft in der Wahrnehmung des Sendungsauftrages Christi zu erfahren, im Bewusstsein der eigenen Identität die Realität anderer Religionen wahrzunehmen und mit ihnen in einen herrschaftsfreien Dialog einzutreten.
3. Supervision
1 Die Erfahrungen pfarramtlicher Tätigkeiten werden zu Beginn der FEA-Zeit durch eine verbindliche Supervisionsphase begleitet und unterstützt. 2 In der Regel werden zehn (nach Bedarf bis zwanzig) Gruppensupervisionssitzungen durchgeführt, in Ausnahmefällen auch als Einzelsupervision. 3 Die Supervision dient der professionellen Wahrnehmung und Reflexion des pastoralen Dienstes.
4 Die Organisation und Vermittlung der Supervision ist in den Landeskirchen zu regeln.
1 Die FEA beginnt mit der Berufung in den Probedienst und umfasst einen Zeitraum von fünf Jahren. 2 Die Fortbildung geschieht in der Regel während 14 Tagen pro Jahr. 3 Je nach Inhalt und Zielsetzung können die Fortbildungsmaßnahmen als vier- bis fünftägige Pastoralkollegs, als Studientage oder auch als langfristig angelegte qualifizierende Weiterbildungen genutzt werden. 4 Grundsätzlich steht dafür – unbeschadet der Angebote für bestimmte Zielgruppen sowie Fortbildungen, für die besondere Voraussetzungen unerlässlich sind – das gesamte Programm des Gemeinsamen Pastoralkollegs zur Auswahl. 5 Darüber hinaus können auch Angebote anderer landeskirchlicher Einrichtungen der Fort- und Weiterbildung in den Trägerkirchen in Anspruch genommen werden. 6 Die beabsichtigte Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung außerhalb des Gemeinsamen Pastoralkollegs sowie der landeskirchlichen Einrichtungen bedarf der vorherigen Zustimmung durch die zuständige Dezernentin oder den zuständigen Dezernenten.
7 Die FEA ist eine eigenverantwortlich gestaltete und begleitete Phase der Fortbildung. 8 Zweimal im Jahr finden individuelle Fortbildungsberatungen (persönlich, als Videokonferenz) für die FEA-pflichtigen Personen, für die die FEA beginnt, statt. 9 Diese Einzelberatungen dauern in der Regel eine Stunde. 10 Vorgesehen ist zur Mitte der FEA-Zeit das Angebot eines weiteren Beratungsgespräches, bei dem auch die Wahl der Kompetenzbereiche neu besprochen und geplant werden kann. 11 Die Teilnahme an einem dieser Formate ist obligatorisch.
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1 ↑ Die Evangelische Kirche im Rheinland, die Lippische Landeskirche und die Evangelisch-reformierte Kirche haben den Gemeinsamen Richtlinien am 9. September, 17. Mai und 27. Juni 2011 zugestimmt.
1 ↑ Die Evangelische Kirche im Rheinland, die Lippische Landeskirche und die Evangelisch-reformierte Kirche haben den Gemeinsamen Richtlinien am 9. September, 17. Mai und 27. Juni 2011 zugestimmt.
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2 ↑ Ziffer 4 Sätze 8 bis 11 neu gefasst durch Erste Richtlinie zur Änderung der Gemeinsamen Richtlinien der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Evangelischen Kirche von Westfalen, der Lippischen Landeskirche und der Evangelisch-reformierten Kirche für die Fortbildung in den ersten Amtsjahren am Gemeinsamen Pastoralkolleg vom 30. September 2021.
2 ↑ Ziffer 4 Sätze 8 bis 11 neu gefasst durch Erste Richtlinie zur Änderung der Gemeinsamen Richtlinien der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Evangelischen Kirche von Westfalen, der Lippischen Landeskirche und der Evangelisch-reformierten Kirche für die Fortbildung in den ersten Amtsjahren am Gemeinsamen Pastoralkolleg vom 30. September 2021.