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Kirchengericht:Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen
Entscheidungsform: Beschluss (rechtskräftig)
Datum:14.10.2014
Aktenzeichen:VK 4/14
Rechtsgrundlage:§§ 15, 16 VwGG.EKD
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:, Akteneinsicht, Anordnung des Ruhens der Mitgliedschaft, Bestellen als Mitglied des Finanzausschusses, Gemeindeglied, Kirchengerichtlicher Rechtsweg, Kirchlicher Verwaltungsrechtsweg, Presbyteriumswahl, Presbyterwahl, Verwaltungsgericht, Zuständigkeit
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Leitsatz:

Ein Gemeindemitglied einer Kirchengemeinde der Evangelischen Kirche von Westfalen kann nicht kirchengerichtlich erstreiten, dass ihm Akteneinsicht in Vorgänge gewährt wird, die mit der Presbyteriumswahl der Kirchengemeinde und der Nachbenennung von Presbytern im Zusammenhang stehen. Ebenso wenig kann er kirchengerichtlich eine Akteneinsicht in Vorgänge erstreiten, die seine Bestellung zum Mitglied des Finanzausschusses und die spätere Anordnung des Ruhens seiner Mitgliedschaft im Finanzausschuss durch das Presbyterium der Kirchengemeinde betreffen. Der kirchliche Rechtsweg ist hierfür nicht eröffnet.

Tenor:

Der Antrag wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Beschlussformel soll den Beteiligten fernmündlich vorab mitgeteilt werden.

Gründe:

I.
Der Antragsteller ist Gemeindemitglied der Evangelischen Kirchengemeinde A. Er gehört nicht dem Presbyterium an, wurde aber vom Presbyterium zum Mitglied des Finanzausschusses des Presbyteriums bestellt. Inzwischen wurde allerdings das Ruhen seiner Mitgliedschaft im Finanzausschuss vom Presbyterium angeordnet. Ferner ist der Antragsteller Vorsitzender des Stiftungsvorstandes der „Stiftung B “.
Das Presbyterium der Gemeinde A plant den Neubau eines Gemeindehauses neben der C-Kirche der Gemeinde A und zur Finanzierung dieses Bauvorhabens u. a. die Veräußerung des Grundstücks „D“ mit dem aufstehenden alten Gemeindehaus. Das Bauvorhaben und insbesondere auch die Veräußerung des Grundstücks mit dem bisherigen Gemeindehaus sind in der Kirchengemeinde A umstritten. Der Antragsteller ist gegen das Neubauvorhaben und den Verkauf des Grundstücks.
Der Antragsteller trägt vor, im Verlaufe der gemeindeinternen Diskussion um das fragliche Neubauvorhaben habe das Presbyterium das Ruhen seiner Mitgliedschaft im Finanzausschuss angeordnet. Dagegen habe er sich gewandt und Widerspruch eingelegt. Seine Bitte um Übersendung der einschlägigen Beschlussunterlagen zu seiner Bestellung und zur Ruhensanordnung seien abschlägig beschieden worden. Seine Bitte um Akteneinsicht in die einschlägigen Beschlussunterlagen sei unbeantwortet geblieben. Da er beträchtliche Zweifel daran gehabt habe, dass bei der Presbyteriumswahl 2012 und bei der Nachbenennung von Presbytern die Vorschriften des Presbyterwahlgesetzes nicht eingehalten worden seien, habe er auch insoweit um Akteneinsicht in die einschlägigen Vorgänge nachgesucht. Auch dieses Akteneinsichtsgesuch sei ohne Reaktion des Presbyteriums geblieben. Ein berechtigtes Interesse an der beantragten Akteneinsicht ergebe sich aus seiner Stellung als Gemeindemitglied, aus seiner Stellung als ein von der Ruhensanordnung betroffenes Mitglied des Finanzausschusses und aus seiner Stellung als Vorsitzender des Stiftungsvorstandes.
Der Anordnungsgrund für den beantragten vorläufigen Rechtsschutz liege in dem offenbaren Bemühen eines aus seiner Sicht fehlerhaft besetzten Presbyteriums, Fakten zu schaffen, um ihn als Mitglied des Finanzausschusses mundtot zu machen und die Grundlagen dafür zu schaffen, um ein in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht höchst problematisches Neubauvorhaben unumkehrbar zu machen. Er sehe sich in der bisherigen Behandlung der Angelegenheit durch das Presbyterium quasi recht-und wehrlos gestellt. Das Entstehen eines „rechtsfreien Raumes“ könne nicht Inhalt des presbyterial-synodal strukturierten Kirchenrechts sein.
Der Antragsteller beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm, dem Antragsteller, Akteneinsicht in alle relevanten Vorgänge zu gewähren, die mit der Presbyteriumswahl 2012 der Evangelischen Kirchengemeinde A und der Nachbenennung von Presbytern im Zusammenhang stehen, die mit seiner, des Antragstellers, Bestellung zum Mitglied des Finanzausschusses des Presbyteriums und der Anordnung des Ruhens seiner Mitgliedschaft im Finanzausschuss im Zusammenhang stehen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Es handele sich nicht um eine Streitigkeit, für die der kirchliche Verwaltungsrechtsweg eröffnet sei. Insbesondere in Wahlangelegenheiten sei der Rechtsweg gänzlich ausgeschlossen. Der Antragsteller habe eine detaillierte persönliche Bau- und Zukunftsplanung für die Evangelische Kirchengemeinde A. Diese versuche er seit Längerem mittels öffentlichkeitswirksamer Aktionen gegen Entscheidungen des Presbyteriums durchzusetzen. Weiterhin habe er formlose Rechtsbehelfe bei der kirchlichen Aufsicht eingelegt, die bisher offenbar erfolglos geblieben seien.
Die begehrte Akteneinsicht könne nicht gewährt werden, weil es sich um Sitzungsprotokolle nichtöffentlicher Sitzungen des Presbyteriums handele. Die Verweigerung der Akteneinsicht sei dem Antragsteller mit Schreiben vom xx.yy.zzzz schriftlich mitgeteilt worden. Ebenso sei zur Frage der Besetzung des aktuellen Presbyteriums Stellung genommen worden. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass der Antragsteller zweimal einen verabredeten Termin zu einem Gespräch mit dem Presbyterium abgesagt habe.
Das Presbyterium bitte um eine möglichst schnelle Entscheidung, um weiteren Schaden von der Evangelischen Kirchengemeinde A abzuwenden. Aufgrund einer Indiskretion eines Mitglieds des kreiskirchlichen Finanzausschusses seien vertrauliche Unterlagen an die Presse gelangt, die den Verkauf des Grundstücks „D“ zu einem sehr guten Preis verhindert hätten. Nun liege ein zweites ausgesprochen gutes Angebot vor und das Presbyterium wolle darüber in einer Sondersitzung am xx.yy.zzzz beschließen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die im vorliegenden Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Eine einstweilige Anordnung, die grundsätzlich nach § 46 des Verwaltungsgerichtsgesetzes der EKD - VwGG.EKD -, das auch für den Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen gemäß § 67 VwGG.EKD in Kraft gesetzt worden ist, möglich ist, kann im Streitfall schon deswegen nicht erlassen werden, weil der Rechtsweg zur Verwaltungskammer für das vom Antragsteller im vorliegenden Verfahren verfolgte Begehren nicht eröffnet ist.
Nach § 15 Abs. 1 VwGG.EKD ist der kirchliche Verwaltungsrechtsweg (nur) eröffnet für kirchenrechtliche Streitigkeiten aus dem Recht der kirchlichen Aufsicht über Kirchengemeinden, Kirchenkreise und andere juristische Personen des Kirchenrechts (Nr. 1), kirchenrechtliche Streitigkeiten aus dem öffentlichen Dienstrecht der Kirche (Nr. 2) und andere kirchenrechtliche Streitigkeiten, für die der kirchliche Verwaltungsrechtsweg durch kirchliches Recht ausdrücklich eröffnet ist (Nr. 3). Nach § 15 Abs. 2 VwGG.EKD ist der kirchliche Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet, soweit eine Streitigkeit durch Kirchengesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Gliedkirchen und gliedkirchlichen Zusammenschlüsse einem anderen Gericht oder Verfahren ausdrücklich zugewiesen ist. Gemäß § 16 VwGG.EKD unterliegen der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte - in der Evangelischen Kirche von Westfalen der Verwaltungskammer – (ausdrücklich) nicht Entscheidungen im Bereich der kirchlichen Lebensordnung, insbesondere des Dienstes an Wort und Schrift (Nr. 1), Entscheidungen der Synoden (Nr. 2) und Entscheidungen aus dem kirchlichen Wahlrecht, sofern das Recht der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Gliedkirchen und gliedkirchlichen Zusammenschlüsse nicht etwas anderes bestimmt (Nr. 3).
Die Voraussetzungen dieser Vorschriften für die Eröffnung des kirchlichen Rechtsweges zur Verwaltungskammer liegen in Bezug auf das Begehren des Antragstellers nicht vor.
Ein generelles Akteneinsichtsrecht, bei dessen Verweigerung der kirchliche Rechtsweg zur Verwaltungskammer eröffnet ist, besteht nicht. Es gibt in der Evangelischen Kirche von Westfalen - anders als teilweise im staatlichen Bereich - insbesondere etwa kein Informationsfreiheitsgesetz, das den kirchlichen Rechtsweg in Bezug auf Akteneinsichtsrechte eröffnen würde.
Der enumerativ geregelte kirchliche Rechtsweg zur Verwaltungskammer wäre folglich nur dann eröffnet, wenn hinsichtlich Streitigkeiten über solche Vorgänge, in die der Antragsteller Akteneinsicht begehrt, der kirchliche Rechtsweg zur Verwaltungskammer eröffnet wäre. Das ist aber nicht der Fall.
Hinsichtlich der Vorgänge, die mit der Presbyteriumswahl 2012 der Evangelischen Kirchengemeinde A und der Nachbenennung von Presbytern im Zusammenhang stehen, ist der kirchliche Rechtsweg gemäß § 16 Nr. 3 VwGG.EKD ausdrücklich ausgeschlossen. Auch aus dem Presbyterwahlgesetz ergibt sich keine Zulässigkeit des kirchlichen Rechtswegs, sondern im Gegenteil ebenfalls der Ausschluss. Nach § 10 Abs. 1 des Presbyterwahlgesetzes entscheidet über Beschwerden, soweit sie überhaupt in dem Presbyterwahlgesetz zugelassen sind, der Kreissynodalvorstand oder ein von ihm eingesetzter Wahlausschuss. Die Entscheidung ist schriftlich zu begründen. Sie ist endgültig (§ 10 Abs. 4 Presbyterwahlgesetz).
Auch hinsichtlich des Akteneinsichtsbegehrens des Antragstellers in Bezug auf seine Bestellung als Mitglied des Finanzausschusses und der Anordnung des Ruhens seiner Mitgliedschaft ist der kirchliche Rechtsweg zur Verwaltungskammer nicht eröffnet. Dieses Begehren fällt nicht unter § 15 Abs. 1 VwGG.EKD und ist auch nicht nach anderen Bestimmungen oder Grundsätzen vor der Verwaltungskammer justiziabel. Es handelt sich nicht um eine kirchliche Streitigkeit aus dem Recht der kirchlichen Aufsicht über Kirchengemeinden. Ebenso wenig ist eine Streitigkeit aus dem öffentlichen Dienstrecht der Kirche gegeben. Die Mitgliedschaft im Finanzausschuss einer Kirchengemeinde begründet kein öffentliches Dienstverhältnis, so dass auch weder die Bestellung zum Mitglied noch die Anordnung des Ruhens der Mitgliedschaft öffentliches Dienstrecht betreffen. Es ist auch nichts dafür vorgetragen und auch nicht ersichtlich, dass für die hier zu beurteilende Streitigkeit der kirchliche Verwaltungsrechtsweg durch kirchliches Recht ausdrücklich eröffnet worden ist.
Eine Eröffnung des Rechtswegs zur Verwaltungskammer kann schließlich auch nicht nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen angenommen werden. Für die Verwaltungskammer als unabhängiges Kirchengericht gilt das sogenannte Enumerationsprinzip, d. h., dass die Verwaltungskammer - anders als die staatlichen Verwaltungsgerichte nach der sogenannten Generalklausel gemäß § 40 der Verwaltungsgerichtsordnung (Allzuständigkeit) - nur zur rechtlichen Prüfung zuständig ist, soweit ihre Anrufung ausdrücklich vorgeschrieben ist (Urteil der Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 25.06.1998 - VK 4/96). Die Zuständigkeit der Verwaltungskammer ist in den §§ 15 und 16 VwGG.EKD abschließend geregelt (vgl.: Urteil der Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 05.06.2002 - VK 5/01 - und Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs der Union Evangelischer Kirchen in der EKD - VGH - vom 24.05.2006 - VGH 7/06 - zu der damals geltenden vergleichbaren Fassung). Eine Zuständigkeit kann auch nicht im Hinblick auf Artikel 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) angenommen werden. Unter öffentlicher Gewalt im Sinne des Artikel 19 Abs. 4 GG ist nur die staatliche und vom Staat abgeleitete Gewalt zu verstehen (Urteil der Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 25.06.1998 - VK 1/97). Ebensowenig kann daher aus Artikel 137 der Weimarer Reichsverfassung in Verbindung mit Artikel 140 GG die Eröffnung des Rechtswegs zur Verwaltungskammer hergeleitet werden.
Da bereits – wie dargestellt – der Rechtsweg zur Verwaltungskammer nicht eröffnet ist, ist dem erkennenden Gericht eine weitere Prüfung und Entscheidung über die Zulässigkeit und Begründetheit des Antragsbegehrens des Antragstellers verwehrt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 60 Abs. 1 VwGG.EKD.