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Kirchengericht: | Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche von Westfalen |
Entscheidungsform: | Urteil (rechtskräftig) |
Datum: | 21.05.1992 |
Aktenzeichen: | VK 4/91 |
Rechtsgrundlage: | VwGO § 42 VwGG § 31 PfDG § 61 |
Vorinstanzen: | keine |
Schlagworte: | Rechtsschutzinteresse, Verwaltungsakt, Ruhestand |
Leitsatz:
Ein für das Verwaltungsstreitverfahren notwendiges Rechtsschutzinteresse ist nicht gegeben, wenn ein aus dem aktiven Dienst ausgeschiedener Pfarrer die Aufhebung eines Beschlusses begehrt, der eine allgemeine Feststellung enthält und nicht als Verwaltungsakt einzustufen ist.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das weder Gebühren noch Auslagen erhoben werden.
#Tatbestand:
Der am … 1929 geborene Kläger bekleidete bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand ab 1. April 1991 die zum 1. April 1964 neu eingerichtete 2. Pfarrstelle der Evangelischen Kirchengemeinde M. (Kirchenkreis …). Diese Gemeinde besteht aus den beiden Gemeindebezirken P. und dem B.. Die 1. Pfarrstelle der Gemeinde M. hat der am … geborene Pfarrer T. seit dem 1. Januar 1978 inne. Seit Jahren bestehen erhebliche Spannungen zwischen den beiden Pfarrern. Sie führten nicht nur dazu, dass alle 6 Presbyter des Gemeindebezirks B. Anfang März 1991 von ihren Ämtern als Presbyter zurückgetreten sind, weil es nach ihrer gemeinsamen Erklärung vom 15. April 1991 für sie nicht mehr möglich gewesen sei, weiter mit Pfarrer T. zusammenzuarbeiten, sondern es kam auch zu verschiedenen Eingaben an kirchliche Stellen, zu erheblichem Schriftverkehr und auch zu öffentlichen Erklärungen in der örtlichen Presse.
Der u.a. von dem Kläger und dem Presbyterium des Gemeindebezirks B. auch eingeschaltete Kreissynodalvorstand des Kirchenkreises … hat sich in seiner Klausurtagung vom 25. bis 27. Januar 1991 mit der Angelegenheit befasst und insoweit beschlossen: | |
„Der Kreissynodalvorstand entnimmt aus dem Briefwechsel zwischen Herrn Pfarrer H., Herrn Pfarrer T. und Herrn Dr. A., dass Herr Pfarrer T. sich in brüderlicher Weise um Ausgleich der entstandenen Spannungen bemüht hat. Der Kreissynodalvorstand dankt ihm dafür.“ |
Mit seiner am 20. Dezember 1991 erhobenen Klage wendet sich der Kläger, der nach seiner Auskunft in der mündlichen Verhandlung weiterhin in seinem bisherigen Gemeindebezirk wohnt, gegen die ihm durch Bescheid des Superintendenten des Kirchenkreises … vom 28. Januar 1991 mitgeteilte Entscheidung des Kreissynodalvorstandes und trägt unter Überreichung von zunächst 48 Anlagen (verschiedene Schreiben, Stellungnahmen, Protokolle, Leserbriefe und Zeitungsartikel) und in einem späteren zweiten Schriftsatz mit weiteren 16 Anlagen im Wesentlichen vor, dass der Beschluss des Kreissynodalvorstandes rechtswidrig sei. Trotz seines inzwischen eingetretenen Eintritts in den Ruhestand werde er, wie die namentliche Aufführung in dem Schreiben des Kreissynodalvorstandes zeige, weiterhin dadurch beeinträchtigt. Dieser Beschluss sei ein in seine Rechtsstellung eingreifender Bescheid, der ihn weiterhin belaste. Der darin für Pfarrer T. ausgesprochene Dank stelle gleichzeitig eine ihn (den Kläger) berührende Entscheidung dar.
Der Kläger beantragt, | |
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Die Beklagte, die dem Vorbringen des Klägers entgegentritt, beantragt, | |
die Klage abzuweisen. |
Sie hält die Klage nicht nur für unzulässig, sondern darüber hinaus auch für unbegründet.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere den ausführlichen Darlegungen des Klägers, wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der von dem Kläger überreichten Unterlagen Bezug genommen.
#Entscheidungsgründe:
Die Klage des Klägers ist unzulässig.
Wie dem Kläger schon vor der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf ergangene rechtskräftige Urteile der Verwaltungskammer (Schreiben des Vorsitzenden vom 29. Februar 1992) mitgeteilt wurde, gilt § 42 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) über die Verweisungsnorm des § 31 des Kirchengesetzes über die Ordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 18. Oktober 1974, KABl. 1974 S. 194, geändert durch Kirchengesetz vom 11. November 1983, KABl. 1983 S. 214 (VwGG), auch im kirchengerichtlichen Verfahren. Danach kann durch Klage die Aufhebung eines Verwaltungsaktes (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsaktes (Verpflichtungsklage) begehrt werden. Nach Absatz 2 dieser Vorschrift ist, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Diese Vorschrift bedeutet nach herrschender Rechtsprechung und Rechtslehre | |
– vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 6. Oktober 1964 – V C 58.63 – Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG E) 19, 269 (271) und Redeker/von Oertzen, VwGO, Kommentar, 7. Aufl., RdNr. 25 zu § 42 VwGO, mit weiteren Nachweisen – | |
in erster Linie eine Konkretisierung der Rechtsschutzgarantie des Artikels 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG), die auch im kirchengerichtlichen Bereich gilt. Auch hier dient § 42 Abs. 2 VwGO dazu, die Popularklage auszuschließen. Deshalb kann vor den kirchlichen Verwaltungsgerichten in zulässiger Weise nicht jemand klagen, der nicht sein eigenes Recht oder eigenes rechtliches Interesse, sondern lediglich ein kirchliches Interesse zu wahren sucht. | |
– vgl. u.a. Urteile der Verwaltungskammer vom 16. Mai 1988 – VK 1/1986 – und 11. Oktober 1988 – VK 2/1987 – und – VK 3/1987 – unter Hinweis auf den Bericht des früheren Vorsitzenden des 2. Senats des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) der Evangelischen Kirche der Union, Prof. Dr. Gützkow (1978 – 1986) und die dort zitierten Beschlüsse des Gerichts. | |
Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Ausgangslage ist das Begehren auf Aufhebung des als Bescheid bezeichneten Beschlusses des Kreissynodalvorstandes des Kirchenkreises … schon deshalb unstatthaft, weil es sich bei ihm nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 42 VwGO handelt. Dieser Beschluss stellt abgesehen davon, wie er in dem Schreiben vom 28. Januar 1991 „an die Mitglieder des Presbyteriums der Evangelischen Kirchengemeinde … aus dem 2. Pfarrbezirk der Evangelischen Kirchengemeinde …“ im Verhältnis zum Kläger zu werten ist und auch nur so verstanden werden kann, wie der Kläger meint, zumindest durch die inzwischen eingetretene Versetzung des Klägers in den Ruhestand für ihn keine Entscheidung mehr dar, durch die ein eigenes Recht oder ein eigenes rechtliches Interesse des Klägers beeinträchtigt wird. Nach § 61 Abs. 1 und 2 des Pfarrerdienstgesetzes (PfDG) endet mit dem Beginn des Ruhestandes nicht nur die Pflicht des Pfarrers zur Dienstleistung, sondern er scheidet auch aus seiner Pfarrstelle aus. Für ihn bedeutet dies auch, dass er ab diesem Zeitpunkt nach Art. 57 und 54 der Kirchenordnung (KO) nicht mehr geborenes Mitglied des Presbyteriums des selbstständigen Gemeindebezirks B. war. Als im bisherigen Gemeindebezirk weiter wohnender Pfarrer im Ruhestand sind ihm nach der Auffassung der Verwaltungskammer insoweit über die einem als Gemeindemitglied und somit als Mitglied der Beklagten hinausgehenden Rechte und Befugnisse nicht eingeräumt. So wie die Kammer schon hinsichtlich eines früheren Presbyters entschieden hat,
– vgl. Urteil vom 16. Mai 1988, wie vor, | |
folgt aus der für ihn ebenfalls geltenden Vorschrift des § 4 Abs. 1 des Kirchengesetzes über die Kirchenmitgliedschaft vom 10. November 1976, KABl. 1977 S. 26, auch, dass ein Kirchenmitglied vorgesetzte Stellen auf bestimmte Missstände und ihm bekannt gewordenes Fehlverhalten von Kirchenbediensteten zumindest hinweisen kann. Ob er als Pfarrer im Ruhestand und auch als Kirchenmitglied zu einem solchen Verhalten jedoch verpflichtet ist, braucht hier ebenfalls nicht entschieden zu werden. Jedenfalls hat er keinen einklagbaren Anspruch darauf, dass die von ihm unterrichtete Aufsichtsstelle in der von ihm gewünschten Weise tätig wird und Maßnahmen einleitet. Inwieweit sich daran etwas ändern würde, wenn der Kläger als Pfarrer mit seiner Zustimmung gemäß § 61 Abs. 5 PfDG mit der vorübergehenden Verwaltung einer Pfarrstelle oder mit einem anderen kirchlichen Dienst beauftragt werden würde, kann hier ebenfalls auf sich beruhen, weil dieser Tatbestand unstreitig nicht gegeben ist. Ebenso kann hier offen bleiben, ob der Kläger gerade nicht als früherer Pfarrer verpflichtet ist, aus Gründen eines guten und vorurteilsfreien Neubeginns für seinen Nachfolger einen Strich unter die Vergangenheit ziehen und damit durch großzügiges Entgegenkommen und die Hinnahme persönlich empfundener Ungerechtigkeiten den Weg für einen fruchtbaren Neubeginn ohne persönliche Querelen bereiten sollte.
Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 31 VwGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gebühren und Auslagen werden für das vorliegende Verfahren nach § 29 Abs. 1 VwGG nicht erhoben.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 6.000,- DM festgesetzt.