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Geltungszeitraum von: 01.07.2023
Geltungszeitraum bis: 31.12.2023
Erläuterungen zu Artikel 74 Kirchenordnung
Leitungsfeld 9 Recht und Organisation (Dr. Conring/Berg/Huget)
Stand: 01.07.2022
####Allgemeines
Die Webseite https://www.gemeinde-bewegen.de/ (Wissensspeicher für die Arbeit im Presbyterium) bietet wichtige Informationen, wie die Leitungsarbeit in der Evangelischen Kirche gestaltet werden kann. Sie löst das vorher regelmäßig als Printwerk erschienene „Gemeinde leiten – Handbuch für die Arbeit im Presbyterium (2016)“ ab. Die nachfolgenden Ausführungen sind auf Grundlage (teilweise auch in Auszügen) des Inhaltes „Gemeinde bewegen – B Gemeindeleitung – 2.4 Ausschüsse entstanden.
Alle Ausschüsse sind nach den vorliegenden Erfahrungen nur in dem Maße arbeitsfähig und arbeitswillig, wie ihre Zuständigkeit klar geregelt und ihre Arbeit vom Presbyterium anerkannt ist. Ausschüsse ohne klare Aufgabe oder konkrete Erwartung an ihre Arbeit werden als lähmend empfunden und schlafen allmählich ein. Das Presbyterium selbst muss zum Ausdruck bringen, dass es die Arbeit solcher Ausschüsse nicht als zusätzliche Belastung, sondern als willkommene Hilfe versteht und als sinnvolle Zuarbeit nutzt.
Ausschüsse bieten den Vorteil, Gemeindeglieder, die nicht dem Presbyterium angehören, wie zum Beispiel Jugendliche oder Mitarbeitende, an der Arbeit zu beteiligen. Ebenso können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kirchengemeinde in die Ausschussarbeit eingebunden werden.
In größeren Gemeinden mit mehreren Pfarrbezirken können Bezirksausschüsse (als regionale Gliederungen) und Fachausschüsse (als funktionale Gliederungen) durch Satzung eingerichtet werden. Diese Ausschüsse sind an die Rahmenbeschlüsse des Presbyteriums gebunden, arbeiten aber innerhalb dieses Rahmens eigenständig.
Zu den Verantwortungsbereichen des Bezirksausschusses können u.a. gehören: Gottesdienst, Amtshandlungen, Seelsorge, Unterricht, missionarische Aufgaben – soweit diese Aufgaben in besonderer Weise einen Pfarrbezirk berühren.
Fachausschüsse kann es zum Beispiel geben für Diakonie, Jugendarbeit, Bildung und Schule, Öffentlichkeitsarbeit. Diese Ausschüsse arbeiten auf der Grundlage des Haushaltsplanes; sie sind an die Rahmenbeschlüsse des Presbyteriums gebunden, arbeiten aber innerhalb dieses Rahmens eigenständig.
Je stärker die Untergliederung in regionale oder funktionale Ausschüsse erfolgt, desto größer wird allerdings auch das Problem der Koordinierung der Arbeit und der gegenseitigen Information. Es ist wenig hilfreich und demotivierend, wenn engagierte Mitarbeitende im ständigen Sitzungskarussell rotieren, Vorlagen beraten, Beschlüsse fassen und Anregungen diskutieren, wenn letzten Endes im Presbyterium noch einmal alles neu aufgerollt, beraten, verworfen oder vergessen wird.
Geordnete Koordination bedeutet stattdessen, dass den Ausschüssen Kompetenzen und Zuständigkeiten übertragen werden, die eigenverantwortliches Handeln ermöglichen. Zur Koordination gehört die geordnete Information. Sie stellt sich nicht von selber ein. Vielmehr müssen Informationswege organisiert und beachtet werden. Nach wie vor ist die Information über Papiere und Protokolle am leichtesten zu verwirklichen. Allerdings hängt von der Gestaltung dieser Papiere viel ab. Es hat sich als zweckmäßig erwiesen, dass wichtige Informationen und solche Vorgänge, die möglichst alle erfahren sollen, besonders kenntlich gemacht werden oder in einer regelmäßigen Information für die Mitarbeitenden veröffentlicht werden. Vorsitzende von Presbyterien – besonders in großen Gemeinden – können von dieser Informationspflicht an das Presbyterium und die Mitarbeitenden nicht entbunden werden, da sie in der Regel die größere Übersicht über die Vorgänge besitzen.
Artikel 74 Absatz 4 KO sieht vor, dass das Presbyterium in größeren Kirchengemeinden aus seiner Mitte einen geschäftsführenden Ausschuss durch Satzung einrichten und ihm die Erledigung bestimmter Aufgaben übertragen kann. Der geschäftsführende Ausschuss erhält in der Regel auch Entscheidungskompetenzen (Beispiele: verbindliche Beschlüsse über die Einstellung von Mitarbeitenden bis zu einer bestimmten Entgeltgruppe, Entscheidungen über den Abschluss von Rechtsgeschäften). Voraussetzung ist aber, dass die Aufgaben in der Satzung konkretisiert werden.
Die Aufgaben, die Zusammensetzung und der Vorsitz für Bezirksausschüsse, Fachausschüsse oder den geschäftsführenden Ausschuss sind durch eine Gemeindesatzung zu regeln. Satzungen bedürfen der Genehmigung des Landeskirchenamtes. Damit ist auch eine (kostenlose) Satzungsberatung verbunden, die möglichst frühzeitig genutzt werden sollte.
Die westfälische Kirchenordnung sieht keine verpflichtenden Ausschüsse für die Kirchengemeinde vor (auch nicht für beratende Ausschüsse nach Artikel 73 KO), wenngleich die Pflicht besteht, einen Gemeindebeirat nach Artikel 72 KO zu bilden. Sie stünde in Spannung zur der von der westfälischen Kirchenordnung den Kirchengemeinden eingeräumten Freiheit zur Gestaltung ihres Auftrages.
#Absatz 2, 3 und 4 – Flexibilisierung der Arbeitsweise kirchlicher Organe – Altersbeschränkung
Durch das 73. Kirchengesetz zur Änderung der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche von Westfalen (KO) – Flexibilisierung der Arbeitsweise kirchlicher Organe (Ablösung des Pandemie-Gesetzes) – wurde in den Absätzen 2, 3 und 4 jeweils im letzten Satz das Wort „Arbeitsweise“ eingefügt. Damit wird die Möglichkeit eröffnet, in der Satzung auch die Art und Weise der Beschlussfassung, Abstimmung, Wahl usw. zu regeln. Das Presbyterium erhält so die gestalterische Freiheit, auch digitale Arbeitsformen (Video- oder Telefonkonferenzen oder Kombinationen mit physischer Anwesenheit) für die Ausschussarbeit zu regeln (vgl. Art. 64 Abs. 2 im Entwurf für die Arbeit des Presbyteriums). Auch Beschlüsse außerhalb der Sitzungen im Umlaufverfahren können durch die Satzung ermöglicht werden (vgl. Art. 66 Abs. 2a im Entwurf für die Arbeit des Presbyteriums).
Junge Gemeindeglieder unter 18 Jahren dürfen nicht in die Ausschüsse nach den Absätzen 2, 3 und 4 berufen werden, anders als wie die Regelung bei den Presbyteriumswahlen, wo Jugendliche ab 16 Jahren das aktive Wahlrecht haben. Artikel 36 Absatz 1 KO sieht vor, dass Presbyterinnen und Presbyter mindestens 18 Jahre alt sein müssen. Der kirchliche Gesetzgeber hat diese Altersgrenze bewusst gewählt, da Personen erst ab 18 Jahren (Volljährigkeit) die haftungsrechtliche Verantwortung für ihr Handeln – auch bei Entscheidungen im Presbyterium – übernehmen können (siehe auch die §§ 2, 104, 107 BGB). Bei den Ausschüssen nach den Absätzen 2, 3 und 4 ist Voraussetzung, dass Gemeindeglieder die Befähigung zum Amt einer Presbyterin oder eines Presbyters nach Artikel 36 Absatz 1 KO haben müssen. Bei den beratenden Ausschüssen nach Artikel 73 KO gilt diese Altersgrenze nicht, da die Bestimmung die Berufung von Gemeindegliedern vorsieht, sodass auch Jugendliche, z. B. im Kinder- und Jugendausschuss, mitwirken können. Diese Ausschüsse treffen keine weitreichenden Entscheidungen (wie das Presbyterium).
##Historie – Allgemeines – Beschlussfähigeit und schriftliche Abstimmungen während der Corona-Pandemie
Durch die Verbindliche Verabredung „praktischer Konsens“ zur Erhaltung der Handlungsfähigkeit kirchenleitender Organe im Jahr 2020 vom 8. April 2020, die befristet für den Zeitraum vom 15.04.2020 bis 31. Dezember 2020 galt, wurde zur Beschlussfähigkeit im Wege der Auslegung ausgeführt, dass die Ausschüsse ausnahmsweise auch dann beschlussfähig sind, wenn sich die Mitglieder zur Telefonkonferenz oder zur Videokonferenz zusammenfinden. Die Art der Zusammenkunft ist in der Niederschrift zu vermerken. Die besonderen Regelungen des Pandemie-Gesetzes zum Verfahren bei Abstimmungen und Wahlen finden sich in den Erläuterungen zu Artikel 66, 99, 109, 136, 149 Kirchenordnung.
Die Ausschüsse können abweichend von den jeweiligen örtlichen Satzungen ausnahmsweise auch außerhalb von Sitzungen schriftlich abstimmen, wenn mehr als zwei Drittel ihrer Mitglieder dem Umlaufverfahren zustimmen. Durch das Erste Kirchengesetz zur Änderung des Kirchengesetzes zur Erhaltung der Handlungsfähigkeit der kirchlichen Leitungsorgane während der COVID-19-Pandemie vom 1. Juni 2021 wurde der Begriff „schriftlich“ durch „in Textform“ ersetzt. Damit wird klargestellt, dass auch mit einer E-Mail ohne eigenhändige Unterschrift die Formerfordernisse für den Umlaufbeschluss erfüllt sind
Die Regelungen des praktischen Konsenses wurden in das Gesetz zur Erhaltung der Handlungsfähigkeit der kirchlichen Leitungsorgane während der COVID-19-Pandemie (Pandemie-Gesetz) vom 19. November 2020 übernommen (siehe § 3). Das Pandemie-Gesetz galt zunächst befristet bis zum 30. Juni 2021. Durch das Erste Kirchengesetz zur Änderung des Kirchengesetzes zur Erhaltung der Handlungsfähigkeit der kirchlichen Leitungsorgane während der COVID-19-Pandemie vom 1. Juni 2021 wurde die Befristung bis zum 31. Dezember 2021 verlängert, da die Situation um das Corona-Virus weiter anhält und die Handlungsfähigkeit der Leitungsorgane weiterhin Ausnahmebedingungen erfordert. Daher erschien es notwendig und sinnvoll, die Gültigkeit der Regelungen des Pandemie-Gesetzes befristet zu verlängern.
Die Landessynode hatte im November 2021 eine weitere Verlängerung des Pandemie-Gesetzes bis zum 30. Juni 2022 beschlossen (Zweites Kirchengesetz zur Erhaltung der Handlungsfähigkeit der kirchlichen Leitungsorgane während der COVID-19-Pandemie vom 13. November 2021). Im Anschluss daran wurde auf Grund der sehr positiven Erfahrungen mit den flexiblen Arbeitsmöglichkeiten, die das Pandemie-Gesetz für die kirchlichen Leitungsgremien zugelassen hatte, eine Änderung der Kirchenordnung vorgenommen, die die Regelungen des Pandemie-Gesetzes dauerhaft übernommen hat. Dies ist in Form des 73. Kirchengesetzes zur Änderung der Kirchenordnung umgesetzt worden.
Folgende Dokumente stehen zur Verfügung:
Allgemeine Erläuterungen zur Kirchenordnung – Dokumentenübersicht – Gesetzgebungsverfahren
Die allgemeinen Erläuterungen finden Sie hier oder bei dem aufgerufenen Dokument auf der Webseite bei den Icons unter „E“.